Lebendig begraben – Kapitel 9

»Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem wir ihn bei uns aufgenommen haben. Nie hätte ich damit gerechnet, dass ich alleine ein Kind aufziehen müsste, doch hier waren wir. Auch wenn Elphid immer laut war, so war er trotzdem ein so tolles Kind. Der Widerstand wurde zu seinem Zuhause. Schade, dass er sich an diese Zeit nie erinnern wird.«

Lebendig begraben

Elphid stand in der wohl größten Höhle, die er je in seinem Leben gesehen hatte. In Adeli gab es nur selten eine vereinzelte Höhle, in die sich Elphid gerade so hineinquetschen konnte, doch das war nichts im Gegensatz zu diesem Ort. Sie mussten sich in einem Berg befinden, der völlig ausgehöhlt wurde von innen. Anders konnte sich Elphid diese gestapelten Häuser aus Stein nicht erklären, die bis in die Höhe von Gebirgen in Adeli reichten. Er selbst ragte auf der Plattform über die gesamte Stadt. Ein Wasserfall befand sich am anderen Ende von ihm. Er fiel die unzähligen Meter von ganz oben, bis unten in den See. Die Stadt war knapp beleuchtet, nur in einigen Behausungen leuchtete eine Fackel. Die Straßen waren relativ leer und verlassen. Hier war sicherlich so viel Platz um ganze Welten unterzubringen, wo waren die ganzen Leute?
Seine Holzplattform befand sich an einem ganz merkwürdigen Ort von Epanas, die Welt in der sich der Widerstand befand. Irgendwie war es ein riesiger Fels, beinah Berg, der aber von der Decke der Höhle wuchs. Somit schwebte das ganze Konstrukt eigentlich über dem See am Boden. Eine ganze hölzerne Straße umrundete diesen hängenden Felsen bis nach unten, wo eine Brücke ihn mit dem Rest der Stadt verband. Wer hatte das alles bitte gebaut, und wo waren sie alle?
So einzigartig diese Höhle auch war, wirkte sie vertraut. Elphid konnte schwören, dass er nie so ein Ort gesehen hatte. Wie auch, wenn er sein Leben lang in Adeli verbracht hatte? Auch wenn er sich seit seinem merkwürdigen Traum nicht mehr so sicher war, was das anging. Speziell dieser Ausblick wirkte sehr vertraut auf ihn. Doch die Leere und Abwesenheit anderer Sterblicher beunruhigte in ihm unerklärlich im Inneren. Das sollte so nicht sein, erkannte er. Hier müssten mehr von ihnen sein, das weiß ich.
»Ein atemberaubender Ausblick, nicht wahr?«, fragte Fidi, die plötzlich neben ihm erschien. Elphid schreckte zurück und fiel beinah von der hohen Plattform herunter.
»Warum tust du so etwas?!«, rief Elphid und schnappte nach Luft. Fidi lachte wiederum nur, und der lila Nebel, den sie immer hinterließ nach ihren Teleportationen verschwand.
»Weil es immer zu lustig ist, wenn ihr euch dabei erschreckt«, erklärte sie. »Und du bist noch neu, also bist du es noch weniger gewohnt!«
Vom Schock erholt, fing Elphid ebenfalls an zu lächeln. Es freute ihn, wenn Fidi lächelte. In Meksa hatte sie sich keinen unkonzentrierten Moment erlaubt. Klar, war die Welt, in der sie waren, gefährlich, das wurde Elphid nun auch erklärt. Doch jedes Mal, sobald sie einmal nur leicht lächelte, schob sie alles wieder beiseite und lies alleine ihre Sicherheit und Ernsthaftigkeit sichtbar sein. Es war schön zu wissen, dass sie hier ihre Verteidigung fallen ließ. Fidi musste so alt sein wie Elphid selbst, da musste sie doch auch Spaß haben können?
»Diese ganze Höhle ist viel zu riesig!«, sagte Elphid und schaute wieder hinunter in die Tiefen der Stadt. »Doch weißt du was das merkwürdige ist? Das alles kommt mir merkwürdig bekannt vor. Nur sollte es hier nicht so leer sein, das weiß ich.«
»Tatsächlich war es hier mal voller«, sagte Fidi und stützte sich auf das Geländer. »Zumindest hat mir das Dask erzählt. Das muss beinah 15 Jahre her sein, seit der letzten Schlacht gegen Vasil.«
»Also, sind all die Sterblichen, die hier gelebt haben, tot?«, fragte Elphid beunruhigt und schaute zu Fidi. Sie nickte langsam, doch hielt ihren Blick weiterhin geradeaus in die Ferne.
Traurigkeit fuhr durch Elphids ganzen Körper. Wie viele Menschen hier in einer Schlacht gestorben waren?
»Manchmal fühle ich mich schlecht, dass dieser leere Anblick der Stadt nichts in mir auslöst«, sagte Fidi. »Ich kenne die Stadt nur so leer. Es liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft, dass hier einmal so viele Widerstandskämpfer gelebt haben sollen.«
»Aus irgendeinem Grund, kann ich mir das sehr gut vorstellen«, gab Elphid zu. »Aber ich weiß nicht warum.«
»Vielleicht bist du einfach empathisch genug, damit dich diese Tragödie beeinflusst. Genau deshalb fühle ich mich schlecht. Ich glaube, ich bin die merkwürdige.«
»Da ist nichts merkwürdig dran, wenn dieser unglaubliche Ausblick überwiegt. Vor allem, wenn du nur solche Welten wie Meksa gewohnt bist.«
Fidi schwieg einen Moment, wodurch Elphid in Panik geriet. Hatte er etwas Falsches gesagt? Sollte er sich korrigieren? Er wollte sie doch nicht verletzen oder so etwas!
»Der Ausblick ist wirklich schön, oder?«, fragte Fidi noch.
Elphid schaute zu ihr. Sie wirkte so ruhig und gelassen. Ihr lila Haar lag so sanft, eine Strähne, die oben Abstand, wehte leicht durch den kaum vorhandenen Wind.
»Ja, da hast du recht. Wirklich schön«, sagte Elphid, weiterhin mit dem Blick auf sie gerichtet.
Fidi schaute auf. »Bereit, den Boss zu treffen?«, fragte sie. »Wir können ihn nicht ewig warten lassen. Hoffentlich bist du wieder fit genug.«
Elphid schüttelte sich aus seinen Gedanken. »Klar!«, sagte er. »Du hast gesagt, er ist der ältere Bruder von Dask? Sind sie sich ähnlich?«
»Ganz und gar nicht«, sagte Fidi und ging hinter ihm weg, hinein in das Gebäude, was in den herabhängenden Stein gebaut war. Elphid folgte ihr, ein wenig nervös, was für eine Person dieser ›Serce‹ sein würde.

Elphid hörte ein lautes Gelächter, als er durch die Gänge des Berges ging. Fidi leitete den Weg, was auch gut so war, denn jede Ecke sah hier gleich aus. Wände aus Stein und Holzbalken, die alles aufrechterhielten. Zwischendurch kamen sie an Türen oder kleinen offenen Räumen vorbei, die aber alle leer waren. Die Gänge wurden erleuchtet durch Laternen, in denen aber kein Feuer brannte. Kleine Lichter flogen in den Laternen hin und her, und erhellten den Gang mit einem warmen Orange.
Der Raum, aus dem das Gelächter kam, war deutlich heller als die bisherigen. Viel wichtiger aber war es, dass er nicht leer war. Ein einzelnes Mädchen saß dort drin, ein Krug mit sprudelnder Flüssigkeit gefüllt vor ihr, und sie lachte sich die Seele aus dem Leib. Sie saß dort an einer langen Holzbank, an der sicherlich ein Dutzend Leute sitzen konnten. Das Mädchen war aber alleine, mit chaotischen langen rosa Haaren, zwei Ohrringen im jeden Ohr und schwarzem Mantel. Sie schien es gar nicht zu bemerken, dass Elphid am Eingang der Kneipe stand.
Fidi blieb stehen, als sie bemerkte, dass Elphid ihr nicht mehr folgte, und schaute ebenfalls in den Raum.
»Das ist Chaos«, sagte Fidi genervt. »Ihr Name ist Programm. Sie ist vollkommen wahnsinnig, aber kommt mit vielem davon, weil sie niedlich ist. Je mehr Zeit du mit ihr verbringst, desto nerviger wirst du sie aber finden. Genauso wie Kanduin dort drüben.«
Sie zeigte auf einen älteren Herren, der hinter der Theke stand. Er musste der Wirt sein, doch sein Gesichtsausdruck wirkte genervt und völlig erschöpft, anders als der Wirt der Taverne in Adeli.
»Warum sitzt sie da so alleine, und was ist so lustig?«, fragte Elphid und beobachtete Chaos neugierig.
»Sie redet mit ihren Geisterfreunden, das Übliche also«, antwortete Fidi gelassen.
»Geister? Was meinst du mit Geistern?«, fragte Elphid und Chaos stieß einen weiteren lauten Lacher aus.
»Wenn du dich traust, frag sie selbst. Die Magie von anderen zu erklären ist unhöflich.«
Elphid traute sich langsam in die Kneipe hinein und näherte sich dem Tisch von Chaos.
»Was ist das denn?«, schrie sie freudig, als sie Elphid sah. »Frischfleisch!« Ihre Stimme hatte etwas Kratziges, dass Elphid vorher noch nie bei einem Mädchen gehört hatte.
Elphid schreckte innerlich zurück und riss die Augen vor Überraschung auf.
»Der Tisch ist leider voll. Zieh dir doch ein Stuhl dazu! Kandu!«, rief sie zu dem Wirt, der daraufhin seufzte. »Ein Drink für den Kleinen!«
Der ganze Tisch war leer, bis auf Chaos und ihr Getränk. Wieso sollte er sich also einen Stuhl dazu holen? Elphid versuchte die Verwirrung abzuschütteln und zog einen Stuhl neben Chaos und setzte sich an das eine Ende des Tisches. Kanduin stellte ihm ein Holzbecher mit oranger Flüssigkeit hin, die etwas schäumte. Unsicher schaute er in den Becher und dann zu Chaos.
»Das ist Bier«, sagte sie stumpf. »Kennste?«
»Ich meine ja, aber das hier hat eine komische Farbe«, wunderte sich Elphid. Das Bier, das Iglias immer trank, hatte ein tiefes Blau. War das hier schlecht geworden?
»Andere Welt, anderes Bier«, erklärte Chaos und nahm ein Schlug. Durch eine Mischung aus Neugier, und Unwissenheit, trank Elphid ein wenig, doch spuckte es sofort wieder aus. »Andere Welt, selber schlechter Geschmack!«, beschwerte sich Elphid und kratzte sich den Geschmack von der Zunge.
Chaos lachte laut und schlug ihren Krug auf den Tisch. »Du gefällst mir, Frischfleisch. Du kriegst wenigstens den Mund auf, im Gegensatz zu Seelenguckerin da drüben«, sagte Chaos und zeigte auf Fidi. Diese lachte gerade auch noch ein wenig wegen Elphids Sauerei, doch ihr Lächeln verschwand schnell, sobald Chaos von ihr sprach.
»Ich würde an deiner Stelle aufpassen, sonst wirst du bald Teil deiner Geistertruppe«, fauchte Fidi. Sie hatte sich nicht hingesetzt, sondern schien das Ganze lieber von der Tür der Kneipe zu beobachten.
Chaos öffnete den Mund, so als ob sie Fidi etwas entgegnen wollte, doch Elphid war sich sicher, dass ihr nachdenkliches Gesicht bedeutete, dass sie keinen Konter besaß. Stattdessen lachte sie und rief »Da hast du recht, Nycholas!« und trank weiter.
Fidi schüttelte nur missachtend den Kopf. »Diese Geister«, sagte Elphid schließlich. »Was meint Fidi damit?«
»Die ganze Truppe hier am Tisch meint sie natürlich!«
Elphid schaute sich am Tisch um, doch sah nur leere. »Bist du wahnsinnig?«, platzte ihm die Frage heraus.
Chaos lachte. »Ja ist sie, aber das hängt nicht mit den Geistern zusammen«, sagte Fidi.
»Jeder hat so seine Macke«, sagte Chaos letztendlich. »Während die Seelenguckerin da hinten ihren Fluch hat, und du sicherlich auch du dein ganz persönlichen Schabernack, habe ich die Geister! Verstehste? Ich kann mit den Toten reden.«
»Das muss doch unheimlich sein!«, bemerkte Elphid und sah sich erneut an dem Tisch um. Auf jedem dieser Stühle saß ein Geist?
»Wieso das? Sie sind die beste Gesellschaft! Können mehr trinken als jeder Sterblicher und verrecken können sie eh nicht mehr«, erzählte sie und lachte erneut. So viel wie sie lacht, muss sie ja recht haben, was die Gesellschaft angeht, dachte Elphid und lächelte leicht. Geister klangen in seiner Vorstellung immer so furchterregend, aber sie scheint ihren Spaß zu haben.
»Was sagen deine Geister so zu mir?«, fragte Elphid und posierte stolz, um sich zu präsentieren.
Wie üblich lachte Chaos. »Du gefällst ihnen auch!«, sagte sie und nahm danach aber einen ruhigen Schlug. »Doch irgendwas finden sie an dir besonders interessant, Frischfleisch. Trägste zufällig einen Geist mit dir mit?«
Elphid riss die Augen vor Verwunderung auf. »Einen Geist mit mir? Nicht dass ich wüsste… Fidi, ich trage keinen Geist mit mir mit, oder?!«, fragte er panisch.
»Davon weiß ich nichts«, sagte sie und näherte sich dem Tisch. »Elphid ist aber ein Vollkommener. Vielleicht erklärt das die Faszination deiner Geister.«
»Ein echtes vollkommenes Frischfleisch?«, rief Chaos und schlug erneut mit ihrem Krug auf den Tisch. »Das ist doch mal wirklich was Neues! Sag ma, wenn du draufgehst, kriege ich dein Geist? Ich trauer immer noch der letzten Vollkommenen hinterher.«
»Was ist mit ihr denn passiert?«, fragte Elphid.
»Mausetot, aber das ist nicht das Problem. Wir haben nichtma mehr ihren Geist«, erklärte Chaos und nahm einen neuen Schlug. Man trinkt die viel.
»Danke, für die Antwort, glaube ich«, sagte Elphid und zögerte leicht. »Aber was soll überhaupt dieses ›Vollkommener‹ Ding sein?«
»Dask wird dir das sehr zeitnah erklären, keine Sorge«, versicherte Fidi ihm. »Das hier muss gerade sehr viel sein, ich weiß. Die Verrückte mit ihren Geistern macht das wohl nicht leichter-«
»Hey!«, rief Chaos dazwischen, woraufhin Fidi sie eindringlich anschaute. »Na gut, haste recht.«
»Du wirst noch sehr lange sehr viele Fragen haben. Sobald wir das Formelle abgeklärt haben erklären wir dir alles, was du willst«, sagte sie und legte Elphid eine Hand auf die Schulter.
Diese simple Berührung war warm und versichernd. Ja, Elphid schwirrte so unendlich viel im Kopf herum, das bemerkte er erst jetzt wirklich. Doch er hatte Fidi an der Seite. Auch wenn er sie kaum kannte, so wirkte sie ihm so vertraut. Sie ist die gute Wächterin, erkannte er. Diejenige, die ihn in seinen Alpträumen immer gerettet hatte. Iglias sagte, er muss auf diese Träume hören und so vertraute er Fidi.
Fidi lächelte ihn ruhig an, und Elphid erwiderte mit einem schwachen Lächeln.
»Ich glaube auch, dass die Seelenguckerin Gefallen an dem Frischfleisch gefunden hat, Thyndin«, flüsterte Chaos hörbar zu einem ihrer Geister.
»Ich bevorzuge es nur mit echten Sterblichen zu reden, als mit den Gestorbenen«, erwiderte Fidi, doch Chaos antwortete nur mit diversesten verachtenden Geräuschen. »Was mich dazu bringt, wir sollten besser zu Serce und Dask, sonst können wir uns wirklich bald zu ihren Geistern gesellen.«

Fidi führte Elphid in eine Art von Besprechungsraum, zumindest sah dieser so aus. Ein massiver Holztisch stand in der Mitte, mit den verschiedensten Stücken an Papier und Karten. Ein pures Chaos. Irgendwie wie bei Iglias Zuhause, erkannte er und lächelte leicht.
Der Rest des Raumes war kalt und steinig, sowie die meisten Orte hier. So etwas mussten diese Höhlen wohl an sich haben. Nur ein paar Holzstämme befanden sich noch an den Wänden und gingen zur Decke hoch. Wahrscheinlich um dem Raum Stabilität zu geben. Wer weiß wie tief sie sich unter der Erde befanden?
Fidi und Elphid standen am Rand des Zimmers und warteten. Dask, und der andere Mann neben ihm, der wohl sein Bruder Serce sein musste, redeten gerade noch mit einem Mädchen. Sie wirkte auch ein wenig verloren und überfordert, genauso wie Elphid. Sie hatte schwarze lange Haare und war komplett bleich im Gesicht. Ebenfalls trug sie die Blüte einer Rose am oberen Ende ihres weißen Hemdes. Zwar wirkte die Rose auch sehr blass, aber immerhin schien sie blau zu sein. Wenigstens irgendwas Ähnliches an diesem Ort, dachte Elphid und erinnerte sich an die blauen Blumenfelder von Zuhause.
»…Deine Ziele sind sehr ambitioniert, wenn ich das mal so sagen darf«, sagte Dask zu dem Mädchen. »Doch sehr nachvollziehbar. Ich stimme Serce dennoch dabei zu, dass du eine sehr vielversprechende Ergänzung in unserer Truppe bist.«
Das Mädchen nickte eifrig. Ambitionierte Ziele?, fragte sich Elphid.
»Dann ist es wohl entschieden, Doa. Ich heiße dich Willkommen als neuster Teil des Widerstandes! Doch dieser Titel bleibt dir wohl nicht lange«, sagte Serce und schaute dabei zu Elphid. Dieser zuckte überrascht zusammen, doch Serce lächelte ihn nur an. »Geh fürs Erste zurück zu deinen Gemächern, die ich dir vorhin gezeigt habe und ruhe dich aus. Wir haben heute tatsächlich noch einen zweiten Rekruten«.
Das Mädchen, was scheinbar Doa hieß, stand auf. »Vielen vielen Dank euch Beiden!«, sagte sie. »Sobald ihr Zeit habt, spiele ich euch gerne ein Stück!«
Serce lächelte ihr zum Abschied freundlich hinterher, während sich Dask schon an Elphid wand. »Schön, dass ihr Beiden es auch endlich einrichten konntet. Wir haben mal die Zeit, dir ihr euch gelassen habt, genutzt um das andere Neumitglied einzuführen«, sagte dieser wodurch sich Elphid fragte, ob Dask wirklich verärgert war. Er hatte doch keine Ahnung von irgendeinem Zeitplan, aber wahrscheinlich machte das wohl keinen guten ersten Eindruck.
»Ich hatte Elphid nur ein wenig die Basis gezeigt, bis wir dann von Chaos abgelenkt wurden. Ich hätte nicht gedacht, dass du es so eilig hast, Dask?«, sagte Fidi und schritt an den Tisch heran. Ihre Frage klang so spielerisch provozierend? Ging man so hier mit den Anführern um?
»Ich denke Dask ist nur ein wenig aufgeregt und nicht wirklich sauer. Viel wichtiger ist aber, ob es dir wieder gut geht, Elphid?«, fragte Serce und brachte sich so ins Gespräch. Er schien durchgehend zu lächeln und wirkte so viel lockerer und charismatischer als Dask.
Iglias hatte mal davon erzählt, dass es unterschiedliche Arten von Anführern gab. Die charismatischen und eleganten, die durch ihr Lächeln und ihre Kunst mit den Worten die Leute in Bann hielten. Sie waren wie ein warmes, anziehendes Licht, welchem man folgen wollte. Die andere Art war kalt und erwartete Respekt. Man folgte ihnen nicht, weil sie so schön redeten oder grinsten, sondern weil sie klare Befehle gaben und Ergebnisse erbrachten.
Elphid riss sich aus seinen Gedanken und versuchte die passende Antwort zu finden. »So weit geht es mir wieder gut, denke ich. Ich weiß wirklich nicht, was da draußen passiert ist, aber danke für die Rettung, glaube ich?«
»Glaubst du?«, fragte Serce amüsiert.
»Ich bin wirklich nicht sicher. Der gesamte letzte Tag war sehr überwältigend und ich habe die Anzahl an Welten, die ich meinem Leben gesehen habe, verdreifacht.« Elphid versuchte verzweifelt die Worte zu finden, doch jetzt wo er über alles nachdachte, merkte er erst wie viel alles gerade war.
»Diese Veränderungen kommen rasch und in großer Menge, ich weiß. Leider ist das immer so. Es war nicht anders bei Dask und mir, oder bei Fidi. Auch das Mädchen gerade, Doa, erlebt viele Veränderungen gerade, genauso wie du. All das lässt sich meist mit einem tollen Gespräch mit einem schönen Spaziergang verbinden, doch dafür ist wahrscheinlich erst morgen Zeit. Also lass mir dir die wichtigsten Informationen geben, den Rest erledigt unsere gute Fidi«, erklärte Serce, setzte sich und legte die Beine auf den Tisch, während Dask ein Glas mit grüner, durchsichtiger Flüssigkeit hinstellte. »Wir sind der Widerstand, ich bin hier der Anführer, wenn du so magst, doch leite alles viel mehr mit meinem kleinen Bruder Dask hier zusammen. Unser Ziel ist zusammengefasst, dass wir Vasil, oder wie er sich nennt, den ›unendlichen Herrscher‹ zu bekämpfen. Er reagiert alle bekannten und zivilisierten Welten, die es gibt unter dem Deckmantel einer Regierung. Wir weigern uns unter seinem System zu leben, vor allem, weil sein System unsere Art jagt und auslöschen will.«
»Unsere Art?«, fragte Elphid und nahm ein Schlug. Das Getränk schmeckte leicht säuerlich, doch angenehm erfrischend.
»Dimensionsmagier. Leute, die besondere Fähigkeiten haben. Jagen tun uns die Dimensionswachen, von der du beinah eine geworden wärst. Das Makabere an der ganzen Sache? Die Wachen sind Magier wie wir. Sie bringen ihre eigenen Leute um, damit sie in dem schrecklichen System von Vasil leben dürfen.«
Sie jagen ihre eigenen Leute? Elphid war entsetzt, denn er wäre beinah einer von ihnen geworden, ohne das alles zu wissen. Hätte er dann all die Leute hier jagen und töten müssen irgendwann? Er dachte, die Wachen würden irgendwie die Sterblichen schützen, vor dem Bösen? Das hier konnte doch sicherlich nicht das Böse sein? Und wie konnte Iglias ihn freiwillig zu diesen Wachen schicken?
»Bevor du dich fragst, warum dein guter Iglias dich da jemals hinschicken würde, musst du wissen, dass er das nicht freiwillig getan hat.«
Nochmal Glück gehabt.
»Die Geschichte ist aber zu lang und für einen anderen Tag, und ich will mir nicht das Recht herausnehmen, sie dir zu erzählen«, fügte Serce noch hinzu und schaute zu seinem Bruder. »Diese Aufgabe ist die eines anderen.«
»Bevor wir hier aber in einen ewigen Monolog von Serce geraten, komme ich zur Sache. Ihr beiden werdet mich nach Emeraldus begleiten. Ich habe dort etwas Wichtiges zu erledigen und Fidi kann dir währenddessen eine schönere Welt zeigen«, erklärte Dask und räumte eine Karte vom Tisch, die er in einen Rucksack steckte. Elphid hatte leider keinen Blick auf sie erhaschen können.
»Also werde ich zum Erklärdienst verurteilt?«, fragte Fidi leicht unglücklich.
»Einer von uns muss es tun. Ich habe mit unserer anderen Rekrutin zu tun und Dask hat eine Mission. Willst du die etwa Chaos überlassen?« Elphid dachte an das pinkhaarige Mädchen und seine Begeisterung sich mit ihren Geistern zu unterhalten hielt sich in Grenzen. Fidi schien einer Meinung zu sein.
»Was deinen Zusammenbruch angeht sind wir uns noch nicht sicher, Elphid«, fuhr Serce fort. Elphid war klar, dass das noch einmal Thema werden würde. Nur noch grau konnte er sich erinnern bewusstlos geworden zu sein in Meksa. An die Ereignisse in seinem Traum erinnerte er sich klar, doch er hatte sie einem Schreiber des Widerstandes nur knapp erzählt. »Normalerweise würden wir damit starten dir zu zeigen wie man meditiert, damit du deine magischen Kräfte entfachst, doch das scheinst du schon getan zu haben.«
»Meditation? So mit Schneidersitz und Augen geschlossen haben? Was sollte das mit Magie zu tun haben?«
»Du hast noch nie deine eigene Zwischenwelt betreten?«, fragte Dask unglaubwürdig.
Elphid schüttelte den Kopf, wodurch Serce, Dask und Fidi Blicke austauschten. »Was ist los? Bin ich krank? Werde ich sterben? Redet mit mir!«
»Es ist nichts dergleichen«, beruhigte ihn Serce. »Vermutlich ist deine Verbindung zu der Zwischenwelt einfach gestört. Das ist nur noch ein Grund mehr mit nach Emeraldus zu gehen. Dort könnt ihr die Meditation dann durchführen. Fidi, zeig Elphid doch bitte sein Zimmer. Dask und ich haben noch einiges zu bereden. Ansonsten, Elphid, heiße ich dich herzlichst willkommen im Widerstand!«


Ende Akt I – Die Rekrutierung der Hoffnung

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