»Sicherlich gibt es dort draußen eine Welt, in der diese Geister verschwinden, oder? Wenn das Leben so präsent ist für uns, dann muss der Tod woanders noch umso näher sein… Eine Welt des Todes. Das stelle ich mir schrecklich vor…«
In die Enge
Ort: Welt der Drachen, Drakos
Chaos hielt Elphid zurück und drängte ihn in den Hintergrund, während er zappelte.
»Kleiner Mistkerl!«, fluchte der Dorfoberste und spuckte Blut auf den Boden. »Zündet das Feuer an! Lasst sie holen! Diese Eindringlinge haben ihren Besuch deutlich ausgereizt.«
Fidi versuchte noch ihr Bestes, die Lage friedlich zu lösen, davon ging Elphid zumindest aus. Genau wusste er es nicht, denn er merkte, wie ihn sein klares Denken verließ. Seine Wut ließ zwar nach, aber sie war gefolgt von Angst. Elphids Atem wurde schneller. Er merkte, dass er anfing zu zittern. Wieso wollen sie denn keine Hilfe? Wir sind doch nur hergekommen, um zu helfen?, dachte er ängstlich und schaute zwischen all den wütenden Augen hin und her. Niemand hier schien die Unterstützung des Widerstandes zu wollen. Mochten sie es denn etwa in einer Welt zu leben, die wegen der Machenschaften von Vasil gerade noch knapp bewohnbar war?
Worüber dachte er eigentlich nach? Er hatte den Dorfobersten geschlagen! Diese ganze Mission über Bord geschmissen! Aber so wie Kalin über Iglias sprach, gab es doch keine andere Möglichkeit, oder? Natürlich gab es andere Möglichkeiten! Du hast den Auftrag aufs Spiel gesetzt, weil du deine eigenen Emotionen nicht unter Kontrolle hast!, schien die Stimme von Dask zu rufen.
Alle um ihn redeten auf die Drei hinein, doch für Elphid klang alles taub. Einige Dorfbewohner fingen sogar panisch an zu schreien von außerhalb, dass sie doch endlich verschwinden sollten.
Dafür war er nicht gemacht. Elphid konnte das alles nicht. Genau das hier waren die Art von Sterblichen, die er retten sollte, nicht wahr? Die Hoffnung der Welten? Das Kind der Sonne? Zitternd und ängstlich in die Ecke gedrängt? Nachdem er die Hand gegen einen von ihnen erhob?
Fidi nahm Elphids Hand. Sie schaute ihn an und auch wenn sie nichts sagte, wusste Elphid, was sie ihm sagen wollte. Es wird alles gut.
In einem beruhigenden, sanften Rhythmus drückte Fidi immer wieder die Hand von Elphid und gab ihm damit ein Tempo vor, in dem er atmen konnte.
»Weicht! Verschwindet! Bitte!«, schrie der wütende Dorfoberste sie an. »Wir haben das Feuer angezündet und die Drachen werden bald hier sein. Wenn ihr nicht verschwindet, wird es nur euer Blut sein, dass sie zu Fressen bekommen!«
»Samma, so ist das alles ja gar nicht. Der kleine ist Frischfleisch, kein Grund ein großes Fass zu öffnen«, rief Chaos entgegen.
Es durfte nie so ablaufen, dachte Elphid. Er strengte sich an, dass sein Atem sich wieder beruhigte, doch es war schwer. Sie wollten mir nur eine einfache Mission zeigen und so läuft das ab? Eine Katastrophe!
Das Feuer in der Mitte des Dorfes wuchs mit der Sekunde und überragte beinah jede Hütte. Rauch stieg in Tonnen in die Luft und wenn es wahr sein sollte, was der Dorfoberste sagte, dann würde der Rauch Drachen alarmieren und was dann? Waren Fidi, Chaos und Elphid ihrem Schicksal überlassen oder mussten sie sich freikämpfen?
»Kalin, bitte! Wir werden auch alleine mit ihnen fertig! Wieso gehen wir das Risiko des Ewigen Schmerzes ein, mit dem Feuer? Es sind doch nur drei Kinder!«, ermahnte ein weiterer Mann, der Elphid bekannt vorkam. Es war derselbe, der sich geweigert hatte, sie überhaupt zu empfangen. Von Anfang an wirkte er feindselig und jetzt, wo er die Chance sah selbst Elphid zu erledigen, wollte er sie ergreifen.
»Schweig! Sei kein Narr, der Ewige Schmerz wird sich auf keinen Fall blicken lassen.«
»Auch, wenn ich den großen Drachen schon immer mal sehen wollte. Wäre ziemlich interessant, nech?«, sagte Chaos leichtfertig.
Wie konnte sie so ruhig sein?, fragte sie Elphid, sein Atem wurde wieder schneller.
»Chaos, nicht hilfreich!«, zischte Fidi.
»Ich versuche nur die Situation für das Frischfleisch einfacher zu machen. Kann ja nicht jeder ihn einfach betatschen, so wie du das machst«
»Ich wiederhole mich: nicht hilfreich!«
»Versuch ihn mal woanders anzufassen, weil die Hand scheint nicht zu reichen. Der Junge explodiert gleich und ich meine nicht auf die gute Art, sondern in seinem Inneren geht irgendwas Komisches ab.«
Explodieren auf die gute Art, fragte sich Elphid verwirrt?
»Du bist die Erste, die ich an die Drachen opfere!«, ermahnte Fidi Chaos, doch noch bevor sie Chaos eine klatschen konnte, unterbrach ihn der Feindselige Dorfbewohner.
»Die Drachen werden gar nicht nötig sein!«, schrie er, hob seinen Speer gegen Elphid.
Er rannte auf den Jungen zu, Fidi unaufmerksam wegen Chaos und auch wenn Elphid schwor, dass er nicht wusste, was genau geschah.
Mit böswilligem Blick stach der Mann mit seinem Speer nach dem Jungen und…
Hellblaues Licht blendete alle Anwesenden für einige Sekunden.
Ein durchsichtiges, beinah unsichtbares Schild lenkte den Speerstoß. Der Angreifer stolperte zu Boden und ließ die Waffen fallen.
Alle im Raum rieben sich die Augen, bis jeder wieder klar sehen konnte.
Noch bevor Fidi fragen konnte, wann Elphid das gelernt hatte und Elphid offen und ehrlich sagen konnte, dass er keine Ahnung hatte, was das war, erklang ein welterschütterndes Brüllen von draußen.
Kalin erstarrte.
»Drachen?«, fragte Fidi.
»Versuch es mal mit Einzahl, Schätzchen«, antwortete Chaos. »Ich glaube, das ist ein dumm großer Drache.«
Das Brüllen stammte tatsächlich von nur einem Drachen, doch jeder Drachenreiter, der dem Rauchsignal ebenfalls gefolgt war, wünschte sich zutiefst, dass sie nicht hier wären.
Zwischen zwei Bergen, die alleine schon so hoch waren, dass man ihre Spitze nicht sah, bewegte sich langsam ein steinerner Körper. Rote Venen leuchteten auf wie Blitze und gaben zu erkennen, dass es sich hier um ein Lebewesen handelte. Ein gigantischer Drache, der sich um die Berge schlängelte.
Voller Schrecken rannten alle nach draußen und sahen, wie dutzende von Drachenreitern, Soldaten Vasils, verzweifelt versuchten sich zu wehren, gegen diese majestätische Bestie. Vielleicht spieen die Drachen Feuer, vielleicht schossen die Wachen mit Bögen. Elphid war sich sicher, dass all dies dem unendlichen Schmerz nichts anhaben konnte.
»Verschanzt euch alle in den Gruben!«, rief der Dorfoberste. Seine Aufmerksamkeit galt nicht mehr ihnen, sondern seinen Einwohnern.
»Aber was ist mit den Gefangenen?«, fragte die Wache, die gerade noch Elphid angegriffen hatte.
»Vergisst sie! Dieser freche Junge wird noch sein Ende finden, genauso wie die Bastarde die er als Vorbilder sich nimmt.«
In Elphid brodelte es wieder auf, doch Fidi nahm seine Hand. »Alles gut, lass ihn reden. Wir sollten schleunigst verschwinden.«
»Ich wäre mir da nicht so sicher«, sagte Chaos und starrte in die Leere. Wahrscheinlich kommunizierten Geister mit ihr. »Wir schweben in keiner Gefahr.«
»Chaos, ich kann das Risiko nicht eingehen. Bitte!«
Elphid blickte ebenfalls zu Chaos, doch diese wies ihn nur mit einem Zeichen daraufhin zum Drachen zu schauen. »Probier es«, flüsterte sie.
Was sollte er probieren? Kontakt aufzunehmen mit Geistern wie Chaos? Aber der unendliche Schmerz war doch kein Geist!
Niemand wird zu Schaden kommen, hallte eine tiefe Stimme in Elphid, wodurch er kurz das Gleichgewicht verlor. Danach überfiel ihn eine unsagbare Traurigkeit…
»Alles wird gut«, antwortete Elphid impulsiv der Stimme. Es war der erste Gedanke, der ihm überkam.
Das Gefühl von Geborgenheit machte sich in ihm breit, doch es kam nicht von ihm selbst, sondern von der Stimme. Genau die gleichen Worte wie damals. Ich habe dich vermisst, alter Freund.
»Verzeihung, aber wir kennen uns nicht. Bist du dieser Drache? Der unendliche Schmerz?«
Wahrscheinlich hast du recht und ja. Silvas hatte nichtsdestotrotz recht. Kehrt zu ihrem Haus zurück, wir werden euch einsammeln. Kein Zeitdruck.
»Elphid, kannst du mir bitte, bei all den Göttern da draußen, endlich antworten!«, sagte Fidi und drückte ihm weiter auf die Pelle.
»Sorry, was ist los?«, fragte er verwirrt. Er schien alles die letzten Sekunden ausgeblendet zu haben, bis auf die Stimme.
»Ein ganzes Dorf leidet unter Massenpanik, unseretwegen und keiner von euch scheint mehr vernünftig zu reagieren!«
»Oh Scheiße, stimmt! Ich hab mit dem Drachen geredet.«
»Mit dem Drachen geredet?«
»Ja, er hat mit dem Drachen geredet«, sagte Chaos, sehr selbstzufrieden.
»Er trägt keine bösen Absichten und scheint mit Silvas, dieser Drachen-Tante zu tun zu haben. Wir sollen da wieder hin. Kannst du uns teleportieren?«
Fidi schaute sich unsicher um. Sie will das Dorf so nicht zurücklassen, erkannte Elphid. Beinah war es ihm peinlich, dass er einfach gehen wollte, ohne sich darum zu kümmern. Immerhin war er es, der Gewalt angewendet hatte! »Bereit das Portal vor, ich kümmer’ mich um das Dorf.« Er griff ihre Hände und drückte sie zuversichtlich. »Wir schaffen das.«
Fidi nickte und suchte sich sofort mit Chaos zusammen ein Ort für das Portal.
Elphid wiederum rannte in die Dorfmitte, sprang mit einigen Luftsprüngen nach oben, direkt vor das große Feuer. »Niemand von euch muss mir trauen«, rief Elphid laut und er war sich sicher, dass kaum einer ihn hörte. Zwei von ihnen hörten aber sicher. Kalin und die Wache, die Elphid mittlerweile wahrscheinlich mit einer brennenden Leidenschaft hasste. Doch genau deshalb waren sie ihm überhaupt gefolgt. »Der unendliche Schmerz ist nicht für euch hier, sondern für mich alleine. Wir werden verschwinden und euch für immer in Ruhe lassen, wenn es das ist, was ihr wollt. Sagt den Dimensionswachen, dass wir euch überfallen haben oder denkt euch sonst etwas aus, damit ihr vor ihnen in Sicherheit seid! Wir versprechen euch in Frieden zu lassen, verzeiht uns!«
Die Wache pöbelte beinah noch herum, doch Kalin hielt ihn zurück und nickte widerstrebend Elphid zu.
»Mir war unser Handeln nicht klar… Lebt noch ein gutes Leben, frei von Fehlern, die ich begehe…« Elphid sprang herunter und lief zu Fidi und Chaos. Vielleicht hinterlassen wir dadurch nicht nur verbrannte Erde…
Auf einen Drachen zu gelangen, der sich so lang erstreckte wie Flüsse und so groß war wie Berge, konnte sich als durchaus schwierig herausstellen. Zu Elphids Überraschung, flog der Drache, mit dem er gerade noch kommunizierte, geschweige denn davor gesehen hatte, jetzt um den Kopf von Silvas herum, kaum größer als ein kleiner Hund, die es manchmal in Adeli gab oder auch ähnliche Kreaturen, wie der Vierbeiner in Emeraldus.
Der Unendliche Schmerz war selbst in dieser kleinen Form ein majestätisches Wesen, mit einem tragischen Beigeschmack. Er hüpfte in der Luft herum, total spielerisch. Erst jetzt sah Elphid Details, die er nie sehen konnte vorher, als er zwischen den Bergen für ganze Erdbeben sorgte. Der unendliche Schmerz besaß keine Flügel, sondern nur sechs Beine. Sein Körper war noch viel länger, als Elphid sich das vorstellen konnte, wie eine Schlange. In großer Form musste man sein Ende nicht einmal sehen können. Ursprünglich musste er ein helles und beinah göttliches Weiß als Farbe getragen haben, doch diese Zeiten mussten bereits lange her sein. Mittlerweile kleideten seine Haut und Schuppen viele Narben und graue Flecken. Die Gerüchte mussten wahr sein… Doch wenn dies der unendliche Schmerz war, der Drache, der sich regelmäßig selbstverletzte, weil er die Schmerzen der Welt nicht ertragen konnte. Wie konnte es dann sein, dass er wie ein fröhlicher Welpe um sie herum sprang?
»Du musst uns einiges erklären«, begann Fidi und wollte den Elefanten, oder eher Drachen im Raum ansprechen. »Wieso ist er jetzt so klein?«
»Der Unendliche Schmerz besitzt diese Fähigkeit an sich immer, doch nur mit einem Meister, an den er sich binden kann, oder wie er es nennt: ›Freund‹. Als er vor Ewigkeiten Peod verlor, war er gezwungen, in seiner großen Form die Schmerzen der Welt alleine zu ertragen.«
Aber jetzt habe ich wieder einen Freund gefunden!, erklang die Stimme des Drachen in den Köpfen aller anwesenden. Viel jünger, aber es war noch dieselbe, das wusste Elphid.
Silvas streichelte sanft den Kopf des kleinen Drachen. Beinah vergaß man, dass dies ein unsagbar altes Geschöpf war.
»Der Wahnsinn! Also geht es dir auch wieder besser, seitdem du einen Freund gefunden hast?«, fragte Elphid.
So kann man es sagen. Endlich muss ich all dieses Leid nicht mehr alleine tragen, sondern…
»Zusammen. Derjenige, der sich mit ihr verbindet, teilt damit auch den Schmerz«, beendete Silvas den Satz.
Alle standen sprachlos im Raum, doch es war Chaos erneut, die die Stille brach. »Den halben Schmerz aller Welten zu tragen muss ja trotzdem Arsch viel sein, meinste nicht?«
»Es ist kein leichtes, aber…«
Gemeinsam schaffen wir es.
»Bevor wir weitere Fragen klären, sollten wir uns erst einmal aufmachen. Hier wird es bald nur so vor Dimensionswachen schwärmen und…«
Niemand von uns will das.
Der unendliche Schmerz wuchs vor ihren Augen auf die Größe der normalen Drachen, auf denen Fidi und Elphid bereits geritten hatten, nur noch ein klein wenig größer, damit auch alle Platz hatten beim Aufsteigen. Jeder festigte seine Maske erneut, denn da oben sollte die Luft noch viel schlechter und dünner sein als hier unten.
Während des Flugs dann wuchs das Wesen immer weiter, bis es sicherlich so groß war wie ein Mehrfamilienhaus. Es war mehr als genug Platz für jeden und ab einem bestimmten Punkt konnte man gemütlich sitzen, als ob man einfach auf Boden saß.
»Wie kommt es, dass man so sicher sitzt auf ihm?«, fragte Fidi und wagte es Silvas nachzuahmen und sogar aufzustehen.
»Du wirst keinen sichereren Flug finden, als auf dem Schmerz. Wenn du so lange Erfahrungen hast zu fliegen, wie er, dann meisterst du es so gut, dass deine Reiter nicht einmal bemerken, dass sie sich hunderte von Metern in der Luft befinden«, erklärte Silvas und blickte in die Ferne.
Die Sicht war leider ziemlich begrenzt, denn sie flogen nur durch ein Meer von Rauch und Wolken. Beinah fühlte sich Elphid erstickt von den grauen Mauern, die ihn umgaben.
»Jetzt weiß ich auch, warum diese ganzen Geisterdrachen ›Papa‹ gerufen haben, als sie uns zu dir geführt haben. Die haben nicht dich, sondern den Großen hier gemeint«, sagte Chaos und klopfte dem Drachen auf den Rücken. Dieser gab das Geräusch von zufriedenem Schnurren ab.
»Du kannst also wirklich mit Geistern reden und sie sehen?«, fragte Silvas.
»Jawohl, Captain! Der Große hier aber auch nicht wahr?«
Da hast du recht, aber nicht so wie du. Seine Stimme klang wieder deutlich tiefer. Ich bin mit der Vergangenheit und all dem Schmerz verbunden. Bedauerlicherweise verspüren viele Kreaturen in den Welten so viel Schmerz in ihren letzten Sekunden, dass sie mir und meiner Seele sehr nahe kommen.
»Spürst du was bei unserem Frischfleisch?«
Nicht das, was du meinst, wahrscheinlich… Es begleitet ihn ein tiefer, unentdeckter Schmerz, aber du weißt davon glaube ich mehr als ich.
»Leider nicht«, sagte Chaos und richtete ihren Blick nach unten.
Der Unendliche Schmerz machte ein Geräusch, das eher nachdenklich wirkte.
»Was aber spürst du genau bei mir?«, fragte Elphid schließlich. »Du sagtest zu mir auch ›alter Freund‹?«
Deine ersten Worte, sie waren dieselben, die Peod, der Erste, damals zu mir sagte. Du ähnelst ihm, junge Hoffnung. Doch du trägst noch mehr von ihr in dir, als er es jemals tat.
»Lebt Peod noch oder hat er wirklich verloren?«
Leben? Ja. Sein Tod würde ich stärker spüren als jeden anderen. Ob er verloren hat? Nicht wirklich. Er änderte seine Strategie mit den Jahren.
»Das ist dasselbe, das der alte Xerxerei mir in der Ahnenwelt sagte«, erinnerte sich Elphid.
Der unendliche Schmerz schnaubte nur lachend bei der Bemerkung aus. Jemand wie Peod könnte nie den Kampf aufgeben, doch er ist alt geworden mit den Jahren. Er merkte, dass er mit all der Weisheit eher viele motivieren konnte, als selbst zu kämpfen. Er ist einer der Reisenden geworden in Diasteri.
»Die Reisenden existieren wirklich?«, fragte Fidi.
Oh ja, das tun sie. Unsterbliche Individuen, die durch oft unbekannte Gründe an ihre Macht gelangten. Die sind Gestaltenwandler und reden viel. Laufende Ratgeber, oder einfach nur Quasselköpfe. Der bekannteste von ihnen ist Peod, mit Abstand. Danach folgt vielleicht noch Istoria, doch er wird euch hier nichts sagen. Manche sind so gutgläubig und behaupten, dass sie auftauchen in den dunkelsten Momenten einer Person. Wie Schutzengel ungefähr, oder wie ein Sonnenschein nach einer finsteren Nacht…
»Apropos Sonnenschein«, sagte Silvas und zeigte vor sich. »Schaut.«
Vor ihnen brachen die Wolken auseinander. Der Himmel öffnete sich und offenbarte ihnen das Wunder der Himmelsringe.
Wie eine Stadt, Häuser erbaut aus Wolken und Rauch, erbaute sich ein Reich im Himmel, dass einen Gegensatz zu dem Leben auf dem Boden zu bieten schien. Heller Sonnenschein, so leuchtend wie eine goldene Sonne, schien durch die Wolkendecke zu brechen und den ganzen Himmelsring in Feuer zu setzen. Dies war das Abbild vom Paradies, auf den Kopf gestellt und direkt an die Decke dieser Welt gemalt.
Es gibt dort draußen, weit entfernt in Welten, die euch und jedem unbekannt sind, Orte, die so unendlich schön sind, dass ihr sie nicht begreifen könnt. Leider werden sie in den Schatten von Vasil und anderen Mächten gestellt… Aber nein, den Kampf hat Peod nie aufgegeben, genauso wenig wie ihr.
Sie alle schauten bewundert sich das Meisterwerk dieser Welt an. Völlig geschockt, dass so etwas in einer so grauen Welt existieren konnte.
»Was gibt es alles für Welten da draußen?«, fragte Elphid.
Jede, die du dir vorstellen kannst. Ob du sie je erreichen kannst, ist eine andere Frage…
»Meine Schwester muss dort draußen irgendwo sein. Weißt du, was die Arche ist?«
Schweigen.
Das ist eine Reise, bei der ich dir nicht helfen kann. Gebunden durch ein Versprechen…
Frustriert dadurch, dass auch Elphid an diesem Tag kein Schritt seiner Schwester näher gekommen war, legte er sich hin und schaute in die Himmelsdecke, die mittlerweile über ihm klar zusehen war.
»Gibt es eine Welt der Toten?«, fragte Chaos.
Der unendliche Schmerz dachte kurz nach. Elphid bemerkte, dass ihm viele Gedanken durch den Kopf schossen, doch schließlich entschied er sich für eine Antwort. Dort draußen gibt es ein Kind. Es ist ewig her, dass ich Kontakt in diese Welt hatte, aber ich glaube, dass dieses Kind genau das ist, wonach du suchst. Deine Kraft ist besonders, Chaos. Wenn du wieder bereit dafür bist, nach all dem, was dir passiert ist…
»Dann könnten wir dich dorthin bringen«, beendete Silvas den Satz.
»Ich kann doch die anderen beiden Idiotin nicht alleine zum Widerstand zurückschicken. Nicht mit allem, was da abgeht«, sagte Chaos lächelnd, lachend und in ihrem typischen Ton, doch Elphid erkannte die Risse in ihren Wörtern.
Er richtete sich auf und griff ihr an beide Schultern. »Ich weiß nicht, was in deinem Leben geschehen ist, aber das scheint wichtig zu sein. Wenn das dein Weg ist, dann musst du ihn gehen, sowie ich meinen. Du musst uns nur versprechen, dass du zurückkommst!«
»Samma, Kleiner. Du musst hier wirklich kein Aufstand deshalb machen. All das ist doch gar nicht…«
Sie wurde unterbrochen von einer innigen Umarmung von Elphid. Er drückte sie so fest er konnte. »Keine Witze mehr. Finde deine Antworten.«
Langsam erwiderte Chaos die Umarmung. Es war fest, das wusste Elphid. Chaos würde für einige Zeit lang gehen, doch es schien richtig.
Auf dem Boden wieder angekommen verabschiedeten sich Fidi und Elphid von dem Rest. Es würde zu Wiedersehen kommen, das wussten alle Beteiligten. Trotzdem war es schwer ein Mitglied des Widerstandes zu verabschieden, das erste Mal für Elphid und auch Fidi.
»Hoffentlich findest du auch deine Antworten, Frischfleisch«, sagte Chaos abschließend. »Und du passt auf ihn weiterhin auf, verstehste, Seelenguckerin!«
Fidi verdrückte sich für den Abschied einen fiesen Kommentar. »Pass auf dich selbst auf, Pinky.«
»Wenn du wieder zurückkommst, wirst du mich nicht mehr Frischfleisch nennen müssen«, sagte Elphid lächelnd.
»Vertrau mir, du bleibst immer Frischfleisch.«
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