Der dunkle Magier – Kapitel 7

»Dask war immer ein wunderbares Vorbild für alle, die ihm je begegnet waren. Sicherlich würde Serce auch so von seinem jüngeren Bruder reden. Dask war willensstark, mächtig und talentiert. Nicht einmal in meinem Leben habe ich einen besseren Kämpfer, Lehrer oder Sterblichen als ihn gesehen. Ich wünschte nur, ich hätte mehr von ihm lernen können. Vielleicht wäre mein Tod dann noch weit in der Zukunft…

Ich wünschte nur, ich hätte mehr Zeit mit dir gehabt, Dask. Ich vermisse dich jetzt schon…«

Der dunkle Magier

Dask liebte die Gefahr. Eine verzwickte Situation, völlig in der Unterzahl zu sein, gegenüber den mächtigsten Gegnern. Der Kick, die Überheblichkeit seines Gegners, weil es nur ein einzelner Mann war, der sich ihnen entgegenstellte. Doch dieser jemand war nicht irgendwer. Dask war kein gewöhnlicher Dimensionsmagier. Sein Wille war eisern und stark, geschmiedet in den dunkelsten Orten der Welten. Dask war…
»Der dunkle Magier«, knurrte Ausbilder Dolos vor ihm. »Der meistgesuchte Mann in den Dimensionen, oder auch einfach nur der Flüchtling von Magika.«
Der Flüchtling von Magika, dachte Dask amüsiert. Eigentlich tat er immer so, als ob er all diese Titel hassen würde. Sie bedeuteten ihm vielleicht nichts, doch die Angst, die sich in den Dimensionswachen um ihn herum verbreitete, bedeutete ihm alles.
»Der Widerstand bevorzugt ›Der Überlebende von Magika‹«, entgegnete Dask. Er klang ruhig, beinah gelassen. So sollte sich niemand fühlen, wenn er mitten in der Arena der Dimensionswachen stand. Niemand, außer Dask.
»Du hast dir mehr Titel gegeben, als der Widerstand überhaupt Mitglieder hat«, antwortete Dolos, völlig gelassen. Ausbilder waren die einzigen Wachen, die so gelassen reagierten, wenn Dask auftauchte. Und das, obwohl er der erste war, der jemals einen Ausbilder umgebracht hatte.
»Schön, dass du sie dir alle gemerkt hast«, sagte Dask.
Der Rauch legte sich. Neben Dolos hatten ihn sechs weitere Wachen umzingelt. Mit einem Rundumblick schaute er sich jede der Wachen genau an. Vermutlich wollten mindestens die Hälfte von ihnen fliehen, doch die Angst vor ihrem Ausbilder hielt sie hier. Entweder war es die Klinge von Dask die sie spüren würden, oder die von Dolos. Da zogen die Meisten von ihnen es vor, nicht als Verräter zu sterben.
Dabei war jeder Einzelne von ihnen ein Verräter, dachte Dask. Sie alle haben ihr eigenes Volk verraten. Alles, um ihn Angst vor ihren Ausbildern und König zu leben.
Die erste Wache machte den panischen Anfang. Sie rannte auf Dask zu, mit der Klinge voraus. Ein lächerlicher Versuch eines Angriffes. Ein Ruf der Verzweiflung. Vielleicht auch eine Bitte nach dem Tod.
Dask sprang einige Meter in die Höhe. Die ganze Arena war noch gefüllt, die Anspannung war beinah zum Ersticken. Mit einem schnellen Blick sah er, dass Fidi den Jungen schon weggebracht hatte. Freie Laufbahn also…
Dask griff in die Luft und materialisierte einen Dolch in seiner Hand. Klein, spitz und aus schwarzem Metall.
Die Wache unter ihm blickte zu ihm nach oben. Was Dask dafür tun würde, das Entsetzen in seinem Gesicht zu sehen. Diese verdammten Masken ruinierten das immer.
Dask stürzte wieder zu Boden, schlug mit Leichtigkeit die erhobene Klinge der Wache zur Seite und erschlug die Wache mit ganzer Kraft zu Boden. Den Dolch bohrte er durch die Maske, zersplitterte sie und das Gesicht der nun toten Wache wurde offenbarte. Blut drängte sich an der Klinge vorbei und überfloss das ganze Gesicht. Dask erhob sich langsam, sein Blick durchbohrte jede der Wachen. Sein Wille war stark, sein Hass noch stärker. Jeder von ihnen würde es spüren, zwei Klingen der Wachen zitterten sogar bereits.
»Niemand von euch muss hier heute sterben!«, rief Dask den Wachen zu. »Ihr alles seid junge Wachen, eure Liste an Verbrechen ist noch kurz. Wendet euch gegen euren Ausbilder, die vereinten Nationen und euren König. Im Widerstand habt ihr nichts zu fürchten.«
Dolos schwieg. Dask hätte ein Brüllen, oder sonstige Gegenreaktion erwartet. Stattdessen blieb er ruhig stehen.
Ein paar Wachen tauschten rasche Blicke aus, doch sobald ihr Blick auch nur Dolos traf, wandten sie sich wieder Dask zu, ihre Waffen auf ihn gerichtet.
»Deine Propaganda hat hier keine Wirkung, Abschaum«, sagte Dolos. »Jede meiner Wachen ist mir treu ergeben!«
»Jede deiner Wachen?«, fragte Dask. »Dann muss das junge Mädchen, dass vor einigen Monaten aus deinem Lager in Odomfrag geflohen ist, ja eine Lüge sein? Ach nein, bei den Eiern von Vasil, sie hat dir gerade deinen neuen Dimensionsvollkommenen geklaut, und ist jetzt schon lange weg.« Ein provozierendes Lächeln machte sich über das Gesicht von Dask breit.
»Wachen, sucht das Mädchen. Wir brauchen sie, und den Jungen lebend!«, rief Dolos hinter sich und einige andere Wachen machten sich sofort auf den Weg.
Jetzt habe ich dich aus dem Konzept gebracht, erkannte Dask und griff hinter seinen Kopf. In seiner Hand materialisierte sich ein Wurfmesser, das er auf eine Wache rechts von ihm warf. Das Messer traf die unkonzentrierte und unsichere Wache in der Brust. Sie zuckte zusammen und Dask sprintete auf sie zu, während er in seine nun leere Hand ein Kurzschwert materialisierte. Mit einem kräftigen Tritt brach die verletzte Wache zusammen, während Dask den Angriff eines daneben stehenden Gegners parierte.
Ohne Zeit zum Reagieren zu bieten, entstand an den Knöcheln von Dask ein Schlagring, mit welchen er seinem Feind in die Magengrube schlug. Die Wache bückte sich vor Schmerzen, was Dask die Möglichkeit gab, ihm sein Kurzschwert hinten in den Hals zu stecken.
Das war die erste Hälfte, dachte Dask und dabei hatte er nicht einmal angefangen zu schwitzen.
»Wo ist euer unendliche König jetzt?«, fragte Dask und zwinkerte provozierend Dolos zu.
»Ihr drei, los! Erledigt ihn, im Namen eures göttlichen Herrschers!«, rief Dolos aus. Sofort setzten die drei Wachen sich in Bewegung.
Dask hob seine Hand. Zwei Schwerter sprossen unter den Beinen einer Wache hervor. Schreiend stolperte der Feind zu Boden, als sich die Schwerter durch Füße und Glieder durchbohrten.
In seiner anderen Hand materialisierte Dask sein Schwert. Ein Meisterwerk aus schwarzem Stahl, das Material hatte er persönlich aus Odomfrag, die Welt von Vasil, gestohlen. Die wenigsten Magier meisterten die Materialisierung so sehr, dass sie eine eigene, spezielle Klinge hervorrufen konnten. Die auswechselbaren Klingen aus einfachem Stahl waren für geübte Kämpfer kein Problem. Diese Klinge war einmalig und für ihn alleine bestimmt. Eine Waffe für seine Rache und sein Hass.
Für euch brauche ich keine Tricks, dachte sich Dask und hielt sich für den Angriff seiner beiden Feinde bereit.
Dem ersten Versuch einer Attacke wich Dask aus. Die Wache fiel mit der Wucht ihres Angriffs an Dask vorbei, als sie ins Nichts ging. Der anderen Wache schlug Dask mit Kraft den Stab zur Seite. Danach riss Dask ihren Mantel mit seinem Schwert auf, und den gesamten Oberkörper dazu. Blut spritzte über den dreckigen Boden, als die Wache tot zu Boden fiel.
Sein letzter Feind rappelte sich erneut auf und blickte auf seine toten Kameraden. Mit letztem Mut richtete er seine Waffe auf Dask. Dieser schlug sie einfach weg und trennte daraufhin Kopf vom Rest des Körpers. Leblos fiel der Körper wie ein Sack um, der fehlende Kopf landete beinah perfekt vor den Füßen von Dolos.
»Es ist sinnlos, Dolos«, sagte Dask während sich seine Waffe in schwarzen Rauch auflöste. »Jetzt musst du Vasil erklären, wie du nicht nur den Dimensionsvollkommenen verloren hast, sondern auch noch sechs deiner Wachen.«
»Es reicht!«, rief Dolos. Die Arena erschütterte unter der gewaltigen Kraft von Dolos Willen. Die Zuschauer duckten sich instinktiv weg, vor der Welle an Aura, die der Ausbilder ausstrahlte. Eine typische und nutzlose Reaktion der Sterblichen, doch wer konnte es ihnen verübeln. Selbst Dask fühlte ein unangenehmes Drücken in sich, doch er hielt Dolos stand.
»Ich kann dir diesen Jungen nicht geben, alter Feind. Solch eine Macht darf nicht in eure Hände geraten«, sagte Dask. Er gab sein Bestes locker zu wirken, so als ob das alles nur ein Spiel für ihn wäre. Tatsächlich aber kostete es ihn alles, Dolos nicht anzugreifen. Diesen Kampf hier in Meksa einzugehen, wäre ein klarer Todeswunsch.
»Ein Diaster Magios in euren Händen ist eine Verschwendung!«, rief Dolos. Seine Klinge war ausgefahren und bereit für den Kampf. »Du weißt das von allen am besten. Die Letzte von ihnen war auch wegen deiner Fehlschläge zu Tode gekommen!«
Alles spannte sich in Dask an. Dieser Sklave eines falschen Gottes, fluchte Dask innerlich. Dolos provozierte ihn, bewusst. Auch er wusste, dass er unantastbar hier war. Ein Angriff auf einen Ausbilder und ein ganzes Lager würde die Arena stürmen. Doch nun brachte er sie in die Geschichte.
»Deine Worte sind lieb gemeint«, sagte Dask. Vorsichtig wählte er seine Worte. Er musste unbeeindruckt wirken, doch vielleicht war das alles hier auch eine Nummer zu viel für ihn. »Ich werde nicht in deine Falle tappen. Könntest du dem alten Vasil meinen Kopf bringen, so wäre deine Niederlage heute viel milder ausgefallen. Das könnte ich dir ja nicht antun.«
»Wirf mit deinen Respektlosigkeiten so viel herum wie du magst, kleine Made!«, sagte Dolos. Ein aufgebrachter Ausbilder war schlampiger als ein ruhiger. Doch nur Dask wagte es einen von ihnen jedes Mal aufzuregen. »Du wirst schon für den Tod des Jungen sorgen, so wie du an dem Tod der letzten Vollkommenen schuld warst!«
Die Welt stoppte eine Sekunde lang für Dask. Er keuchte nach Luft, als alles um ihn herum verschwamm. Dask hörte ihre Stimme, klar und deutlich. »Du musst auf ihn aufpassen, Dask!«, flehte sie ihn an. Eine Träne bildete sich in seinem Auge, als er sich daran erinnerte, wie sie im Sterben vor ihm lag. Er war zu unfähig, sie zu retten. Er war zu unfähig, ihrem Wunsch nachzugehen.
Dieser Junge, dachte Dask. Könnte er wirklich…?
Entschlossen griff Dask nach einem Beutel an seinem Gürtel. Dieser Beutel, gefüllt mit Schwarzpulver, war sein Ausweg aus dieser Arena. »Diesmal nicht Dolos«, sagte Dask, nun entschlossen und mit fester Stimme. »Der Junge wird nicht nur dein Ende sein, sondern auch das Ende vom alten König.«
Dask warf den Beutel hoch in die Luft und holte mit seinem rechten Arm aus. Er konzentrierte sich und feuerte die Magie in seinem Körper, die Magie, die durch seine Adern floss, an. Eine Macht loderte in ihm, ein Feuer wurde entfacht. Ein kleiner Feuerball bildete sich in seiner Hand, mit welchem er den Beutel abschoss.
Das Schwarzpulver explodierte. Dask sah noch, wie Dolos das Weite suchte, vielleicht um genug Abstand zu finden, damit er dann die Verfolgung auf Dask beginnen konnte. Dask wäre aber schon lange weg gewesen. Mit beiden Armen nach vorne gerichtet, lies er eine kleine zusätzliche Explosion aus seinen Handflächen entspringen. Viel kleiner und ungefährlicher als die in der Luft, aber sie musste auch nicht weh tun. Sie musste Dask nur Geschwindigkeit bringen.
Dask schleuderte sich selbst somit nach hinten und wurde damit, so schnell es ihm möglich war, zum Ausgang der Arena katapultiert. Nicht so schnell wie die Teleportation von Fidi, aber immerhin.
Die gesamte Mitte der Arena war mittlerweile von einem dichten, schwarzen Rauch umfasst worden. Die Familien der Wachen, die alle als Zuschauer auf den Tribunen saßen, schrien vor Panik und rannten chaotisch durcheinander.
Dask sah nur zufrieden auf sein Kunstwerk zurück und rannte danach in die Tiefen der Stadt. Seine Gedanken schob er beiseite, egal wie sehr sie ihn bedrückten. Nun musste er Fidi und den Jungen in Sicherheit bringen. Wenn ihm das nicht gelang, dann wären seine Erinnerungen an damals sein geringstes Problem.
Elphid, dieses Mal lasse ich dich nicht im Stich.

Fidi und der Junge befanden sich bereits in den Außengebieten von Meksa. Der Vollkommene schien den Namen Elphid zu tragen, zumindest war es das, was er ihr unbedingt zurufen wollte, als sie losgerannt waren. Die äußersten Lager umgaben sie, bald würden sie sich im Wald verstecken können. Sie hatte stark befürchtet, dass dies der schwerste Teil der Flucht werden würde. Die Zelte waren niedrig, man konnte sie beide schnell erkennen. Zudem sprinteten sie schon seit einigen Minuten, daher hatte sie Angst, dass der kleine Dimensionsvollkommenen außer Atem kommen würde. Seine Ausdauer war aber überraschend gut und er konnte beinah mit Fidi mithalten.
Elphid hatte auch nicht viele Widerworte gegeben. Er war verwirrt zu Anfang, klar. Vor allem als Fidi noch die nötige Kraft besaß, ihn und sie zu teleportieren, um etwas an Distanz zu gewinnen. Das Hin und Her hatte ihn ordentlich durchgeschüttelt. Nun mussten sie aber rennen, denn sie konnte nicht all ihre Magie dafür nutzen um sich zu teleportieren. Würde sie danach einer erwischen, so wären die beiden völlig hilflos. Zu ihrem Glück aber, schien Elphid es verstanden zu haben, dass das Rennen gerade ihre Priorität war, und nicht die Fragen, die er haben musste.
Herausgeboxt aus einem Dimensionswachenlager, dachte Fidi. Willkommen im Club.
Um Dask machte sie sich nicht wirklich Sorgen um Dask. Er war weitaus fähig genug, um den Ausbilder lange genug abzulenken und dann erfolgreich zu fliehen. Das einzige Risiko war, dass Dask die Kontrolle verlieren würde. Er hegte einen großen Hass gegenüber dem Ausbilder Dolos, doch er wollte noch nie mit Fidi darüber reden.
Die schlechteste Angewohnheit der beiden Brüder war genau das: Ihren Hass. Klar trieb er sie an und Rache war eine gute Motivation, doch sie haben diesen Hass nie jemandem erklärt. Es gab viele Gerüchte im Widerstand, doch niemand wusste genau, was ihnen zugestoßen war. Außer natürlich die Zerstörung ihrer Heimat, Magika, aber Dolos war noch nicht so alt, um dafür verantwortlich zu sein.
Eine Gruppe von Dimensionswachen stellte sich ihnen in den Weg. Jünglinge, die in Meksa ausgebildet wurden. Nichts als Bürokraten also, erkannte Fidi. Sie wusste, dass sie die Wachen hier in den Außenlagern nicht wirklich fürchten musste. Ihr Schicksal war es als Überwacher in Regierungen zu arbeiten, und nicht draußen auf dem Schlachtfeld. Die Kampferfahrung musste sich also auf das Minimum begrenzen.
Sie hielt Elphid an. »Bleib zurück«, befahl sie ihm. Zu ihrer Überraschung gehorchte Elphid und blieb hinter ihr stehen. Er ist einfacher als gedacht.
Fidi griff kraftvoll mit beiden Armen zu Boden, ihre Handflächen pressten sich in die nasse Erde. Die Magie in ihr loderte auf, ihre Adern fingen an Lila zu leuchten. Sie konzentrierte sich auf ihr Inneres.
Die Wachen vor ihnen blieben stehen und beobachteten unsicher ihr Gegenüber, als die Magie in ihren Armen in den Boden zu fließen schien. Lila Risse leuchteten unter ihren Händen auf und rasten auf die unwissende Gruppe der Gegner zu.
Ihre Feinde schrien auf, wollten versuchen wegzuspringen, doch es war bereits zu spät. Unter ihren Füßen konzentrierte sich Felder aus purpur Energie, die sie zu Boden fesselte. Unfähig, sich zu bewegen, zappelten jeder von ihnen herum.
Ein Lächeln machte sich auf Fidis Gesicht breit, als sie nach ihrem Kampfstab griff. »Jetzt werdet ihr spüren, wie schmerzhaft eure Waffen sein können«, sagte Fidi. Ihre Augen funkelten böse und sie ging auf ihre hilflosen Opfer zu.
»Was hast du vor?«, fragte Elphid hinter ihr.
»Unsere Feinde aus dem Weg räumen, solange sie sich nicht bewegen können, wonach sieht es denn aus?«, antwortete sie und schaute zu ihm nach hinten. Seine blauen Augen waren so groß und unschuldig.
»Aber wenn sie sich nicht bewegen können, dann lass uns doch einfach weiter«, sagte Elphid und trat neben sie. Er hatte kein Verlangen diesen Wachen ein Ende zu setzen. Kein Hass, keine Mordlust. So naiv…
»Sie würden nicht das Gleiche für dich tun«, ermahnte Fidi ihn. »Ohne zu zögern würden sie dir die Kehle aufschneiden oder schlimmeres.«
»Aber du bist doch keine von ihnen, oder nicht? Iglias hat mir immer beigebracht, dass eine Waffe nicht zum Töten, sondern zur Verteidigung dient. Sie können uns nicht angreifen, also lasst uns einfach weiter!«, sagte Elphid, die Unschuld in seiner Stimme war ihr so fremd. Ihr ganzes Leben wurde ihr beigebracht, dass solch ein Denken schwach sei. Der Dimensionswache in ihr kam es übel hoch, doch wollte sie nicht diese Person hinter sich lassen?
Fidi ließ sich überreden und senkte ihre Waffe langsam. »Lass uns weiter«, sagte sie schließlich und sah, wie ein Lächeln sich auf Elphids Gesicht bildete.
So rannten sie an der Gruppe von Wachen vorbei, die noch alle damit erfolglos kämpften, sich von ihren magischen Fesseln am Boden zu befreien.

Große Regentropfen fielen auf Fidis Kopf. Der Wald war dunkel, und viel lebloser als es ein Wald je sein sollte. Als sie noch eine Dimensionswache war, waren diese traurigen Anblicke der Landschaft noch alltäglich. Seitdem sie Teil des Widerstandes war und die Welten da draußen zu Gesicht bekam, bemerkte sie, wie wenig sie in Wirklichkeit bisher gesehen hatte.
»Diese Bäume sind komisch«, beschwerte sich Elphid und klopfte sich etwas Dreck von der Kleidung. Er war einmal über eine Wurzel gestolpert, was Fidi mehr zum Lachen gebracht hatte, als sie zugeben wollte. »Warum sind die Blätter grau und das Holz so dunkel?«
»Du warst noch nie in einer anderen Welt, außer deiner Heimat, kann das sein?«, fragte Fidi. Sie konnte nicht aufhören sich umzusehen. Die beiden befanden sich noch immer in Gefahr, und Dask musste auch irgendwo sein.
»Nein, das ist mein erstes Mal woanders. Ich habe mir mehr erhofft, wenn ich ehrlich sein sollte«, sagte Elphid. Er wirkte tatsächlich enttäuscht. Fidi war damals froh überhaupt etwas anderes zu sehen. Selbst die Minen von Epanas waren eine frische Abwechslung.
»Welche Farbe hatten denn die Blätter in deiner Welt?«
»Blau«, sagte er. »Ein frisches Blau, und das Holz war leicht lila. Wir hatten auch genug Pflanzen, die eine ähnliche Farbe hatten, wie das was du gerade eben mit deinen Händen und dem Boden gemacht hattest! Alle Wiesen waren mit blauem Gras übersehen, und der Himmel erst!« Elphid blickte nach oben, durch das Blätterdach hindurch. »Ich könnte ihn dir nicht beschreiben. So vollkommen anders als diese graue Einöde.«
Der Junge schien zu strahlen, als er anfing über seine Heimat zu erzählen. Fidi konnte es ihm nicht verübeln, denn seine Welt klang wie ein blaues Paradies, von dem sie noch nicht gehört hatte.
»Irgendwann zeige ich ihn dir!«, sagte Elphid.
»Wie bitte?«, fragte Fidi, in Gedanken verloren bei dem Versuch sich seine Heimat vorzustellen.
»Den Himmel bei mir Zuhause. Irgendwann zeige ich ihn dir, dann wirst du schon sehen!«
Fidi lächelte schwach. Hoffentlich kommen wir dazu, dachte Fidi. Irgendwas an der Art, wie Elphid dachte und handelte war so erfrischend. Er wirkte so unberührt von den Welten und allem was Vasil tat. Elphid wirkte wirklich wie ein unschuldiges Kind, was nun aber viel zu schnell in die Scheiße gezogen wurde.
»Bevor hier irgendwer jemandem irgendetwas zeigt, müssen wir erst einmal von dieser schrecklichen Welt weg«, sprach die Stimme von Dask. Er sprang von einem höheren Baum zu Boden und landete neben den Beiden mit Leichtigkeit.
Einen Moment wirkte er völlig verloren, als ob er jegliche Wörter vergessen hätte, als er Elphid das erste Mal sah. Dann schüttelte er sich und wirkte wieder konzentriert und ernst wie immer. »Elphid, richtig? Ich hoffe, dass Fidi dich gut ›eskortiert‹ hat. Für die Flucht aus Ausbildungslagern ist sie unsere Expertin. So eine Flucht kann gut verbinden, nicht wahr?«, sagte Dask mit einer Leichtigkeit in seiner Stimme, die Fidi vollkommen fremd war. Sie ähnelte beinah Serce, was Fidi völlig aus dem Konzept brachte.
Er kennt Elphids Namen bereits?, fragte sich Fidi. Wahrscheinlich hatte Iglias ihnen diese Information gegeben, nur wurde es vergessen Fidi zu verraten.
Dask materialisierte eine kleine Klinge in seiner Hand und schnitt damit durch die Luft, wodurch ein Riss entstand. »Ich würde gerne das weitere Kennenlernen nach Epanas verschieben, vorausgesetzt du kommst mit uns«, sagte Dask und schaute Elphid ein wenig fragend an. Auch Fidis Blick ruhte auf dem Jungen, wodurch er scheinbar ein wenig unter Druck geriet.
»Ihr seid Freunde von Iglias, oder?«, fragte Elphid.
»Fidi ist zu jung, um ihn zu kennen, aber ja, ich kenne Iglias. Bis vor ein paar Tagen habe ich lange nichts von ihm gehört, aber wir waren einst Freunde. Sein Wunsch an uns war es, die Wachen davon abzuhalten dich in die Finger zu bekommen. Das hier wäre kein gutes Zuhause für dich, und da kann ich nur zustimmen.«
Das musste viel sein für den Jungen. Er hatte gerade erst das erste Mal seine Heimat verlassen, wurde von Wachen weggeführt, die er nicht kannte, und nun versucht ihn die nächste Gruppe mitzunehmen an einen Ort, den er nicht kennt. Wahrscheinlich braucht er einige Momente zum Nachdenken, doch haben wir die überhaupt? Was sollten sie tun, wenn Elphid sich weigerte? Ihn zwingen mitzukommen? Würden sie ihn einfach wieder in seine Heimat zurückbringen? Wie sollte der Junge solch eine Entscheidung überhaupt in so kurzer Zeit treffen?
»Ich komme mit«, erklärte Elphid.
»So schnell hast du dich entschieden?«, fragte Fidi ungläubig. »Du kennst uns nicht, und weißt nicht, was dich erwartet. Dein Kopf muss platzen mit fragen, aber du bist einfach so bereit in die nächste Welt zu reisen?«
»Ja, schon«, sagte Elphid leise. »Ich kenne euch zwar nicht, aber Iglias vertraut euch. Wenn er euch vertraut, dann vertraue ich euch. Wieso? War das die falsche Antwort?«
Dask schmunzelte leicht, aber Fidi konnte den Witz nicht finden. Wie naiv kann jemand sein?
Völlig verständnislos spazierte Fidi beinah durch das Portal, das Dask erschaffen hatte, ohne auch noch ein weiteres Wort zu sagen.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte Elphid.
»Verzeihung, ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Dask. Es freut mich…« Dask schien die richtigen Worte zu fehlen. »Es freut mich, dich kennenzulernen.«
»Dask?« Elphid stand völlig bewegungslos da. Fidi drehte sich wieder um, denn irgendwas an der Art, wie er den Namen gesagt hatte, beunruhigte sie. Auch Dask selbst fragte Elphid nochmal, was denn sei. Dieser schien aber völlig abwesend und antwortete nicht mehr. Die Naivität und Neugier wurde ihm praktisch aus dem Gesicht gewaschen. Dask versuchte Elphid wach zu rütteln, ihn irgendwie aus seiner Trance zu befreien. Alles aber war vergeblich, bis Elphid die Augen schloss und bewusstlos von Dask aufgefangen wurde.

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert