Alte Weisheiten – Kapitel 24

»Dask meinte, dass die Welt wohl sicher wäre, auch wenn sie unbekannt ist. Wir haben uns dazu entschlossen den kleinen Elphid mitzunehmen, damit er auch mal ein Abenteuer erlebt.
Fast wie ein kleiner Familienausflug.«

Alte Weisheiten

Ort: Die Wandelnde Weisheit, Ahnenwelt.

Die Welten waren nicht in Ordnung an diesem Tag.
Na gut, vielleicht ein wenig zu dramatisch, aber manchmal wirkten die minimalsten Umständlichkeit wie ein riesengroßer Haufen Arbeit.
Die Tage, an denen Elphid in der Ahnenwelt verbringen musste, stellten sich als die langweiligsten in seinem neuen Leben vor. Er saß in den alten Hallen der Bibliotheken herum und büffelte Bücher, die Dask ihm zum Lesen gab. Half ihm das ganze Wissen? Nun ja, das, was er sich merkte, half ihm sicherlich. Leider war es nicht der Fall, dass Elphid dort konzentriert saß und all die Bücher gierig in sich aufnahm. Stattdessen stand er alle paar Minuten auf und lief auf und ab, spielte während des Lesens mit einem Stift, klopfte auf dem Tisch herum und kritzelte kleine Zeichnungen auf das Papier, was eigentlich für Notizen da war. Statt nützliches Wissen aufzuschreiben, hatte sich Elphid es eher zur Aufgabe gemacht, jede Ecke des weißen Blattes ganz schwarz auszumalen.
Dies war der Beweis, dass Elphid keinen guten Gelehrten abgab.
»Herr Elphid! Ich hab das Buch zu der Entdeckung der Zwischenwelt gefunden, was du haben wolltest«, sagte Vio und kam freudig angerannt zwischen einigen Bücherregalen hervor. Vio war durch und durch der perfekte Gelehrte, so viel war sicher.
»Dask wollte das Buch eher haben, aber ich soll es für ihn lesen…«, merkte Elphid ein wenig verzweifelt an.
»Eigentlich sind es wirklich interessante Texte. Beschreibungen vor der Welt, bevor es die Vereinten Dimensionen gab und vor allem auch viele Passagen über Vasil persönlich. Es ist sicherlich eine gute Idee die Ursprünge seines Feindes zu kennen, oder nicht? Auch wenn…« Vio brach seinen Satz langsam ab und wurde von energetisch und aufgeregt zu sehr, sehr still.
»Auch wenn was?«
»Die Ahnenwelt und der Umgang mit Geschichte in den Vereinten Dimensionen ist ja sehr offen, wie du weißt«, fing er an zu erklären. Dieser Umgang mit der eigenen Vergangenheit war es, was Elphid so verblüfft hatte. Jede Welt hatte ihren Zugang zu der Ahnenwelt, offen für alle. Egal welcher Sterbliche, er konnte sich über die Geschichte der Welten belesen und informieren. Nur wollte das irgendwie niemand…
»Deshalb darf ich ja auch einfach hier sitzen und halbwegs ungefährlich hier hinreisen.«
»Richtig. Auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass die meisten Geschichtstexte über Vasil der Wahrheit entsprechen, da sie manchmal doch sehr kritisch werden können, bin ich mir bei diesem Buch unsicher.«
Elphid schaute ihn fragend an. Erst seit neustem beschäftigte er sich mit der Geschichte der Welten und er nahm alles einfach erstmal so auf. Vio war aber ein Experte, also wie kam er darauf?
»Es ist vielleicht eine Art Glaubenssache, weshalb ich an der Richtigkeit der Texte zweifle. Wenn es ein Thema gibt, das in diesen Hallen verboten ist, dann ist es der ›erste Dimensionsvollkommene‹«, flüstere Vio. Schnell drehte er sich um und schaute nach, ob ihn jemand belauscht hatte.
»Wer soll denn der erste Dimensionsvollkommene gewesen sein?«, fragte Elphid. Vio hatte aber recht, denn dieser Titel war bisher noch in keinen der Bücher gefallen. Nicht einmal in den Texten die, erklärten, was Dimensionsvollkommene genau waren.
»Peod, der Dimensionsgeborene, soll angeblich derjenige gewesen sein, der die Zwischenwelt entdeckt hatte. Er lebte zur Zeit, in der Vasil noch nur über eine einzige Welt herrschte und wehrte sich dann mit seinen neuen Kräften gegen ihn. Peod ist eine Legende und mystische Figur, von der niemand wirklich weiß, ob er je existierte. Dennoch gibt er manchen Hoffnung an einen Helden, der tatsächlich Vasil besiegen kann. Über ihn zu reden, geschweige denn ihn zu ehren, ist vollkommen verboten.«
»Der junge Vio hat recht«, kam eine männliche, sehr alte Stimme zwischen den Bücherregalen hervor. »Dennoch sollte dieses Wissen vor allem für einen Jungen aus dem Widerstand nützlich sein, meinst du nicht?«
Der ältere Mann, der zum Vorschein kam, trug dieselbe graue Robe eines Bibliothekars wie Vio. Er besaß nur anstatt der grünen Streifen, weiße. Sein Gesicht war störrisch und bedeckt von einem langen weißen Bart und nur noch vereinzelten Haaren auf dem Kopf. Sollte all das noch nicht genug darauf hinweisen, dass dieser Mann eindeutig alt war, besaß er zusätzlich ein Gehstock. An seinem Körper trug er eine Holzkonstruktion, die Bücher hielt. Sie war befestigt durch einige Seile. Wahrscheinlich konnte er die Bücher einfach nicht mehr normal tragen. Er war ein beinah stereotypisches Beispiel eines alten Mannes.
»Meister Xerxerei!«, sagte Vio und wurde rot, so als ob er gerade bei einem schweren Verbrechen erwischt wurde. Nun ja, wenn Elphid das richtig verstand, war das auch so. »Ich wollte nicht, also, es war ein Versehen!« Vio stolperte über seine Worte.
»Nur keine Sorge, junger Vio. Von all den Sterblichen hier, bin ich derjenige, vor dem du am wenigsten Angst haben muss in dieser Angelegenheit. In Wahrheit ist es schön zu sein, dass mir jemand in meinen Fußstapfen folgt und dem Widerstand hier aus der Ahnenwelt aus hilft. Damals hatte ich Epan noch sehr viel geholfen und die Zwillinge aus Magika habe ich auch kennengelernt, als sie aufgenommen wurden. Leider bin ich wohl nicht mehr ganz so mobil und frisch wie damals«, erklärte der alte Xerxerei mit einem schwachen Lachen.
Selbst sein Name klang uralt, dachte Elphid. Er verstand die alte Sprache zwar nicht und wusste daher nicht, was der Name bedeutete. Doch das alt in der alten Sprache war deutlich in seinem Namen zu hören.
»Ich hatte gar keine Ahnung«, sagte Vio verblüfft, geschockt und gleichzeitig erleichtert, dass er nicht sein ganzes Leben wegen der Erwähnung einer mythischen Gestalt verlor.
»Vasil geht zwar sehr offen mit der Ahnenwelt und dem Wissen hier um, doch das ist nur ein Zeichen seines Hochmuts. Wir sind diejenigen, die Geschichte studieren und aus ihr lernen. Von all den offiziellen Institutionen, die es in den Vereinten Dimensionen gibt, sind die Bibliothekare der Ahnenwelt wahrscheinlich die rebellischten von allen. Wir kennen die Vergangenheit und sind gezwungen uns mit ihr zu konfrontieren. Auch wenn viel mehr von uns dem Widerstand helfen sollten, so sind die meisten zumindest Vasil nicht vollkommen ergeben.«
Elphid lächelte über das, was der alte Mann sagte. Die Ahnenwelt schien ein Ort zu sein, der zwar all die Übelkeiten der Geschichte dokumentierte, doch dadurch am freisten von ihnen war.
»Der Dimensionsgeborene, Peod, war tatsächlich derjenige, der die Zwischenwelt entdeckt hatte, zumindest indirekt. Er wurde als erster Sterblicher in sie hineingelassen und war der Erste, der die Magie wirken konnte. Peod war davor nur ein einfacher Diener Ios, einer der alten Götter. Heute würdest du die wahrscheinlich auch eher einen selbsternannten Gott nennen, doch damals waren sie einfach nur Götter. Mit seinen neuen Kräften versuchte er, im Namen seines alten Herren, Vasil davon abzuhalten alle Macht an sich zu reißen. Wie ihr wisst, ist ihm das tragischerweise nicht gelungen, sonst würden wir nicht in den Welten leben, in denen wir nun einmal leben. Die Geschichte ist wirklich faszinierend, doch sie ist nur niedergeschrieben in einem alten, verloren Buch, geschrieben von einer alten Göttin namens Laktera«, erzählte der alte Bibliothekar langsam und ruhig. Elphid hörte dennoch gefasst zu, bis zum Ende.
»Laktera? So heißt das Buch, das Dask mühselig übersetzen zu versucht!«, rief Elphid und bekam von Vio sofort ein ›Pssscht‹ ab.
Die Augen des Alten Xerxerei öffneten sich. »Das ist unmöglich! Die Geschichte gilt als verloren!«
»Er hat sie geklaut aus den Gemächern der Smaragdkönigin. Bisher kam er aber nicht zu Fortschritten, denn es ist vollkommen geschrieben in der alten Sprache«, sagte Elphid und merkte sofort auch etwas. »Wahrscheinlich sollte ich euch das auch alles gar nicht erzählen.«
»Dieser verbitterte und verschwiegene dunkle Magier«, fluchte der Alte leise. »Er wird dieses Buch nicht übersetzen können und wenn würde es Jahre dauern. Du solltest es zu Vio bringen und ihn daran arbeiten lassen. Er hat ein wenig Erfahrung mit der alten Sprache und wie man sie übersetzt, nicht wahr, Junge?«
Vio zuckte beinah zusammen, so als ob er vergessen hatte, dass er überhaupt Teil der Konversation war. »Nicht so sehr wie Sie, Herr Xerxerei. Warum übersetzt ihr es nicht, wenn ihr es auch so faszinierend findet.«
»Ich bin langsam zu alt für all diese Spannung, Junge. Du brauchst die Erfahrung, wenn du dem Widerstand auch in den nächsten Jahren helfen willst.
»Warte Mal… Vio kennt die alte Sprache? Kann er mir also sagen, was diese ganzen Namen von uns bedeuten? Die sind doch daher hergeleitet?«, fragte Elphid, der, seitdem er erfahren hatte, wie jeder seinen Namen bekommt, darauf brennt die Bedeutung von seinem zu kennen.
»Sicherlich, kann er dir deinen Namen erklären, aber nicht die deiner Freunde. In der Nacht vor unserer Geburt bekommen unsere Mütter einen Traum, in dem sie den Namen ihres Kindes erfahren. Die Bedeutung ist eine sehr persönliche und kann viel Bedeutung für das eigene Leben tragen«, erklärte der Alte.
»Wobei dir dein Name wohl leider nicht mehr so viel beitragen wird. Viele nennen dich schon so, obwohl sie gar nicht wissen, dass es die Übersetzung deines Namens ist.«
»Es ist Hoffnung, oder nicht?«, fragte Elphid und schien irgendwie enttäuscht, denn Vio nickte nur.
»Oh, kleine Hoffnung, wieso das trübe Gesicht? Benannt zu werden, nach der vergessenen Göttin Hoffnung höchstpersönlich ist doch eine gewaltige Ehre.«
»Vielleicht, aber es ist irgendwie anstrengend, wenn alle einen die ganze Zeit als Hoffnung bezeichnen. ›Das Kind der Sonne‹, ›Hoffnung der Welten‹, oder sonst was. Ich wollte auf Abenteuer gehen, damals in Adeli, aber langsam merke ich, dass ich einfach nur meine Schwester wiederfinden will und mehr nicht«, erzählte Elphid und merkte, wie Xerxerei sich etwas aufschrieb. »Wo sind die epischen Missionen und wilden Aufgaben? Stattdessen scheint jeder am Boden zerstört zu sein und alle sind nur eine Katastrophe davon entfernt alles zu beenden. Bisher scheint alles nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe.«
»Der Dimensionsgeborene Peod fing zwar mit einer anderen Ausgangslage als du an, doch in der Situation, in der du jetzt steckst, war er damals auch. Generationenlang war er, nachdem Vasil seine Herrschaft über die Dimensionen erlangt hatte, der einzige, der einen wirklichen Widerstand leisten konnte. Andere Welten waren Vasil maßgeblich unterlegen und alle, die mit den Gaben der Zwischenwelt geboren waren, waren unbegabt in den Kampfkünsten. Peod war die einzige Hoffnung und führte alleine einen Krieg, gegen ein Bündnis aus Welten mit einer stetig wachsenden Armee. Hier gab es keine Abenteuer und keine epischen Schlachten, sondern ein Kampf um das Überleben der Hoffnung. Wenn ihr glaubt, dass sie Lage heute schrecklich ist, dann müsstet ihr sehen, wie es am Anbeginn der Dimensionen aussah. Ein einzelner Halbgott, der nie in der Situation sein wollte, der alles dagegen tat, dass Vasil nicht vollständig, das Rückgrat der Sterblichen komplett zerbrach.«
»Ich möchte ja wirklich nicht eure Geschichten schlecht reden, aber das soll mich aufmuntern?«, sagte Elphid vorsichtig.
»Es soll dir die Wahrheit zeigen, junge Hoffnung. Peod kämpfte Jahrhunderte gegen unmögliche Chancen, ohne aufzugeben, auch wenn es nie das Leben war, das er wollte. All das tat er aber für seinen alten Herren. Such dir jemanden, für den du all das hier tust und es wird dir maßgeblich leichter fallen.«
»Was ist mit Peod passiert? Hat Vasil am Ende gegen ihn gewonnen?«
»Laut Vasil auf jeden Fall«, schaltete sich Vio wieder ein. »Schon seit langer Zeit gab es keine Sichtungen mehr von ihm und geredet wird auch nicht mehr über den Dimensionsgeborenen. Man könnte sagen, er hatte seinen Ruf verloren.«
»Also gebt ihr mir Ratschläge über jemanden, der verloren hat?«
»Oder Peod änderte seine Strategie mit den Jahren«, korrigierte Xerxerei. »Niemand kann bestätigen, dass er je gestorben ist oder aufgegeben hat. Was wir aber wissen ist, dass es mittlerweile einige Sterbliche gibt, die den Kampf auch ohne ihn führen. Hat Peod nicht möglicherweise sogar gewonnen, in dem er einen Widerstandswillen gepflanzt hat in den Sterblichen?«
Elphid wurde nachdenklich.
Auch nachdem Xerxerei Elphid und Vio wieder alleine gelassen haben, sprach Elphid nicht mehr viel. Augenscheinlich war er in den Büchern vertieft, doch er war gedanklich bei den Worten des alten Bibliothekars. Er besaß Sterbliche, für die er hier kämpfte, nicht wahr? Serce, Dask, Chaos und Doa vom Widerstand, doch auch besonders für Fidi und Axilia kämpfte er. Seine Schwester wiederzufinden würde erst der Anfang von all dem sein, nicht wahr? Er konnte ja nicht einfach wieder zurück nach Adeli gehen. Axilia würde das nicht wollen, denn wahrscheinlich würde sie mit Elphid zusammen bei Dask bleiben wollen. Sicherlich konnten sie Dask nicht überreden nach Adeli zu kommen, mit zu Iglias.
Aber was war überhaupt mit Iglias? In all den letzten Tagen dachte er kaum noch über ihn nach, fast gar nicht mehr. Ihm ging es sicherlich gut, oder? Er schien mit dem Kämpfen aufgehört zu haben, aber sollte Elphid das auch tun? Das konnte er nicht tun, oder? Viel wichtiger war vielleicht die Frage, ob er das tun wollte?
Vielleicht war Elphid als ein Junge gestartet, der unbedingt Abenteuer erleben wollte, aber langsam schlich sich bei ihm der Gedanke ein, dass er einfach nur seine Schwester wieder haben wollte und mehr nicht. Er kam sich wie auf einer Kippe vor, nicht sicher in welche Richtung er nun letztendlich fallen würde. Den Kampf aufnehmen gegen einen unendlichen Herrscher, obwohl er nur ein Junge war, oder sich wieder in seine Heimat zurückzuziehen und dort glücklich durch die Wälder zu rennen?
»Herr Elphid?«, fragte Vio und unterbrach damit die Gedanken von Elphid, die wie ein dunkles, aber doch ruhiges Meer, nun final stehen blieben. »Du grübelst seit drei Stunden in demselben Buch. Ich wollte nur sicher gehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Danke…« Seine Worte kamen langsam und mühselig heraus, so als ob er jede Bewegung seines Mundes manuell steuern müsste zum Sprechen und die Worte nicht mehr einfach zu ihm kamen. »Das, was Xerxerei gesagt hat, steckt mir noch im Kopf. Es fühlt sich so an, als ob ich es nicht wirklich verarbeiten könnte.«
Vio nickte. »Das ist völlig normal, wenn er seine Weisheiten teilt. Sein Verstand bekam Jahrzehnte an Zeit, um über das Geschehene nachzudenken und zu verstehen. Es ist völlig normal, dass man das nicht innerhalb einiger Minuten, Stunden oder vielleicht auch Tage versteht. Vieles der Dinge, die er mir sagte, verstehe ich bis heute nicht.« Der Bücherwurm schaute sich kurz um und legte danach sein Buch nieder. »Darf ich dir war zeigen?«
Elphid nahm an, legte das Buch weg und endlich wieder mal aufzustehen, nachdem er so lange saß, fühlte sich zutiefst befreiend an. Egal, was Vio ihm jetzt zeigen würde, alleine dass er Elphid zum aufstehen brachte, war ein Segen.
Sie schlichen durch die Bibliothek, wie sie es oft taten. Hin und wieder schmiss einer von ihnen ein Buch um oder stieß gegen ein Regal. Dies war immer gefolgt von einem lauten Zischen einer der Bibliothekare, danach einiger Sekunden völliger Stille , abgeschlossen mit einem Lachen der beiden Jungs.
Vio führte Elphid auf die Außenplattform, von der man die für gewöhnlich leere Landschaft beobachten konnte, während die Wandelnde Weisheit ihren Weg durch die Ahnenwelt machte. Gerade heute aber war die Aussicht phänomenal.
Vor ihnen lag ein riesiger Krater, so groß wie die Gesamtheit der Stadt in Emeraldus. Elphid konnte gerade so das andere Ende erblicken, von der Seit an der, der wandelnde Berg entlang lief. Was um alles in den Welten musste hier geschehen, oder eingeschlagen sein, um solch ein monumentales Loch zu hinterlassen?
Gefüllt war der Krater mit Wasser, wahrscheinlich eine Ansammlung des ganzen Regenwassers.
In der Mitte kniete ein weiterer versteinerter Krieger der Ahnenwelt. Im Verhältnis zu denen, die Elphid zuvor aber sah, wirkten die anderen nun winzig. Das von Regen geformte Meer ging ihn bis zur Hüfte und er selbst ragte weiter empor. Er musste hunderte Meter messen, alles andere würde für Elphid kein Sinn machen. Nachdem er seine Messmethode der zwei Finger benutzte, bestätigte er seine Vermutung damit.
Die Rüstung sah, wenn auch versteinert und voll mit Pflanzen und Moos, edel aus. Seine Krone verriet seine wahre Stellung in dieser vergessenen Gesellschaft.
»Der König der Ahnenwelt«, flüstere Elphid unter schwachen Atem.
»Einer der Acht, um genau zu sein. Die Ahnenwelt besaß ein sehr interessantes System und teilte seine Macht auf verschiedene, gleichberechtigte Herrscher auf. Es gab sogar Wahlen, wenn einer der Herrscher verstarb. Ziemlich fortschrittlich für seine Zeit.«
»Welchen Namen trägt er?«
»Bei ihm streiten sich die Geister, denn seine finale Pose ist durchaus besonders. Grundlegend wird er einfach nur der ›trotzige Herrscher‹ genannt.«
Woher der trotzige Herrscher seinen Namen bekam, wurde Elphid sofort klar. Mit seinem rechten, noch übrigen Arm, zeigte er hoch in Richtung Himmel und erhob, wie der Name besagte, trotzig den Mittelfinger.
»Man sagt, dass er der erste Herrscher war, dessen Gebiet völlig eingenommen wurde von den Truppen des unendlichen Herrschers. Er weigerte sich Vasil zu beugen und sein letzter Akt war es wohl, dem neuen König der Welten einen großen Mittelfinger zu zeigen. Diese Aktion schien alle anderen dazu zu ermutigen nicht aufzugeben und den Kampf weiterzuführen. Alles nach dem Motto: ›Wenn wir schon sterben, dann machen wir es besonders schwer für die Eroberer‹«.
Der Widerstand steht in seinen Fußabdrücken, erkannte Elphid. Seine Gedanken wirkten zwar ein wenig entwirrter, aber dennoch schwer. Wie auch nicht? Seine Last lag schwer, wie die Krone des trotzigen Herrschers vor ihm.
»Danke dafür, Vio«, sagte Elphid. Er erklärte zwar nicht wofür und um ehrlich zu sein war es Elphid auch nicht wirklich klar, wofür er sich bedankte. Seine Sorgen waren noch da und nicht auf magische Weise verschwunden. Die Angst, nicht genug zu sein, für die Aufgaben, die auf ihn zukamen, war dieselbe wie vorher. Aber wenn sich ein Tag am Ende zumindest danach anfühlte, dass man ein Schritt nach vorne machte, dann war das doch die Hauptsache.
Vio nickte lächelnd und klopfte Elphid freundlich auf die Schulter. Sie verblieben dort noch für einige Zeit und beobachteten den trotzigen Herrscher. Nach der Pause, die Vio ihn verschaffte, ging es zurück an die Bücher. Jetzt, mit frischem Wind.

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