»Bald werden wir aufbrechen und eine alte verlassene Welt erkunden, die wir zuvor noch nie in Aufzeichnungen gesehen haben. Viel erwarten wir nicht, aber immerhin etwas Neues!«
Blumen
Ort: Die Zwischenwelt.
Die Zwischenwelt ist dein Freund, wiederholt Elphid die Wörter von Dask. Jeder deiner Gegner wird alles daran setzen, damit sie nicht in der Zwischenwelt mit dir kämpfen.
Elphid war versteckt, eingehüllt in einer Rauchwolke in der Zwischenwelt. Dies waren kleine Tipps und Tricks, die Dask ihm mit Hilfe seiner Feuermagie beigebracht hatte. Elphid besaß unglaubliche Vorteile auf dieser Ebene und konnte durch seine erhöhte Ausdauer und Regeneration viel länger die Luft anhalten. Wenn er sich also selbst und seine Umgebung in Rauch einhüllte, war er versteckt und sein Gegner im Nachteil.
Das liegt daran, dass du am stärksten bist in dieser Ebene, hallten weiterhin die Worte von Dask.
Ein Messer flog an Elphid vorbei und schnitt durch die Rauchwolke hindurch. »Verlass dich nicht zu sehr auf dein Versteck, denn es gibt einige Wachen, die darauf trainiert waren, auch mit ihren anderen Sinnen zu sehen«, sagte Dask, der sich in diesem Moment in die Rauchwolke, direkt auf Elphid hinzu stürzte.
Schnell sprang der Junge überrascht zur Seite und wich seinem Kampfpartner gerade so aus. Mit ein paar Sprünge in der Luft, die Elphid mittlerweile ziemlich zuverlässig konnte, erschuf er Distanz zwischen sich und Dask.
Leider war Elphid nicht einer dieser Kämpfer, die darauf trainiert waren, mit seinen anderen Sinnen zu sehen. So verblieb er, offen und verwundbar, vor der riesigen Rauchwolke stehen, unsicher, wo Dask war und wann er angreifen würde.
Du bist ein Vollkommener, praktisch geboren durch die Zwischenwelt. Die Worte von Dask gaben ihm Kraft. Elphid atmete einmal tief durch, um wirklich wahrzunehmen, was mit ihm hier geschah. Magie floss durch seine Adern und befeuerte sein Herz. Ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit, doch gleichzeitig auch Macht. Wie ein heißes Feuer brannte die Magie in ihm. Er musste nicht wissen, wo Dask war, wenn er einfach schneller war als er.
Sein Meister flog aus der Rauchwolke hinaus und raste mit hoher Geschwindigkeit auf Elphid nieder.
Jeder von uns Magiern erlebt nur ein Bruchteil dieser Kraft und borgt sie sich viel mehr. Du aber bestehst aus dieser Magie, hallten die Worte von ihm weiter.
»Ich bestehe aus dieser Magie. Das hier ist meine Welt«, flüsterte sich Elphid zu.
Elphid agierte die nächsten Sekunden so blitzschnell, dass sie kaum wahrzunehmen waren, doch für ihn war alles klar. Er sprang Dask direkt entgegen, mit zwei schnellen Sprüngen, riss darauf ein Portal in die Zwischenwelt und verschwand.
In der realen Welt angekommen – eine blaue Eiswelt, sprang er weiter, dort wo Dask gerade noch war. Der plötzliche, eiskalte Wind, peitschte ihm ins Gesicht, doch die Flammen in ihm brannten stärker. Der Frost und der ganze Schnee um ihn herum, sie waren nebensächlich. Was zählte, war der Angriff auf seinen eigenen Lehrer.
Sofort verschwand Elphid wieder durch einen Riss, nur wenige Meter flog er in der Eiswelt für den Bruchteil einiger Sekunden, wie ein hellblauer Blitz.
In der Zwischenwelt wieder angekommen, schleuderte Elphid sich mit einem Tritt in die Luft in die andere Richtung. Jetzt habe ich dich, direkt von hinten-
Ein Tritt gegen die Rippen warf Elphid durch die Luft. Er verlor die Kontrolle und knallte mächtig auf den Boden auf.
Elphid keuchte, doch die Magie heilte seine Prellung in wenigen Sekunden. Verzweifelt schloss er die Augen, denn auch an diesem Tag, hatte er verloren.
»Nicht schlecht, Kleiner. Du machst Fortschritte«, sagte Dask, der neben Elphid stand und ihn überragte.
»Wie?«, spuckte Elphid heraus und wühlte auf dem Boden. »Wie warst du schneller?«
»Vielleicht lernst du echt schnell, aber ich mache die Scheiße seit beinah 30 Jahren. Lass mir noch ein paar Monate die Nase vorne haben.« Er streckte Elphid helfend die Hand aus und dieser nahm die Hilfe auch an.
»Es hat auch einige Zeit gedauert, bis deine Schwester mal gewann. Du kommst da noch hin.«
»Axilia hat wirklich mal gewonnen?«, fragte er unglaubwürdig.
»Klar, mit der Zeit immer öfter. Möglicherweise war ich bei ihr aber auch etwas abgelenkter«, gab Dask zu und wendete sich ein wenig ab.
»Wie meinst du das, also hatte sie bessere Tricks drauf, oder was?«, fragte Elphid und blickte völlig neugierig zu Dask. Was für tolle Techniken seine Schwester wohl drauf hatte?
»So meine ich das nicht.« Er seufzte und schien kurz nachzudenken. »Deine Schwester in Aktion zu sehen war immer faszinierend. Sie bewegte sich so elegant und doch kraftvoll. In ihrer Schnelligkeit lag etwas atemberaubendes, dass ich nie fassen konnte. Wir leben hier in Welten, die alle so voller Farben und Wunder sind, da ist man schnell überwältigt. Doch jeder Ausblick in diesen Welten kam nie an sie heran…«
»Also wenn du zum Beispiel die großen Höhlen von Epanas das erste Mal siehst, zumindest das erste Mal, dass du dich daran erinnerst, und du eigentlich vollkommen überwältigt sein solltest davon, aber es irgendwie nicht bist, weil sie daneben steht? Deshalb kannst du irgendwie nur sie anschauen und ihre Haare, die im Wind wehen, und nicht den großen Wasserfall oder was auch immer?«, sagte Elphid in Gedanken vertieft. Vor ihm spiegelte sich der Moment wieder, als Fidi ihm das Versteck des Widerstandes gezeigt hatte, aber er irgendwie nur sie, ihre ruhige Art und ihre lila Haare beobachten konnte…
»Genau das Gefühl war es. Du scheinst es gut verstehen zu können«, sagte Dask und stieß Elphid provozierend in die Seite.
»Ich habe nur von dem geredet, was du gesagt hast!«, verteidigte er sich, doch bemerkte wie ihm warm im Gesicht wurde.
»Fidi und du gebt euch viel, ihr ergänzt euch ziemlich gut. Ich bin zwar etwas vorbelastet, was das Thema angeht, aber sei trotzdem vorsichtig. Wenn Vasil merkt, dass dir etwas wichtig ist, dann wird er es gegen dich verwenden. Gleichzeitig habt ihr beiden aber auch viel Zeit in eurem Leben alleine verbracht, auf unterschiedliche Arten. Sorgt einfach dafür, dass das vielleicht nicht mehr passiert.«
»Selbst wenn, wie sollte das überhaupt funktionieren? Immer wieder schließt sich Fidi weg und manchmal wirkt sie einfach unerreichbar«, sagte Elphid verzweifelt und ging quer durch die Zwischenwelt hin und her.
»Ich wiederhole mich zwar, da ich nicht der optimale Ansprechpartner dafür bin, aber ich bin sicher, dass du alles richtig machst. Die Fidi, die ich damals aufgenommen habe von den Wachen, war drastisch anders als die Fidi, die du heute kennst. Sie wärmt sich langsam auf, aber bei den Sachen, die sie erlebt hat, braucht das eben Zeit. Sei weiter für sie da und wenn sich die Gelegenheit ergibt, dann schenk ihr mal eine Blume.«
»Eine Blume?« Elphid blickte Dask verwundert an.
»Klar. So hab ich das damals bei deiner Schwester gemacht. Vielleicht weiß ich nicht vieles, aber ich glaube noch nie hat sich jemand darüber beschwert, eine Blume geschenkt zu bekommen.«
Elphid stellte sich vor, wie er wieder oben stand auf dieser kleinen fliegenden Insel in Emeraldus. An dem Ort, als Fidi ihm sagte, dass er niemals sich für sie opfern sollte. Jetzt aber hielt er eine wunderschöne, funkelnde grüne Blume in der Hand. Fidi saß wieder am Rand der Insel und baumelte mit den Beinen im Nichts. Ihre lila Haare wehten so elegant im Wind und als Elphid dann wieder auf die Blume hinab schaute, merkte er etwas.
Emeraldus wurde lila. Das grüne Gras wandelte sich mit einer Welle und schien nun Purpur. Die fallenden Blätter wandten sich im Wind und wurden von der einen Umdrehung zu anderen dunkel rosa.
Was passierte mit dem funkelnden Smaragd an einer Blume in Elphids Hand? Sie wandelte sich in das pflanzliche Äquivalent eines Amethysten. Dies ist ihre Farbe, erkannte Elphid.
Elphid ging auf sie zu und als sie sich umdrehte, blieb jedes Blatt kurz stehen, der Wind stoppte zu singen und sein Atem setzte aus.
»Hier«, sagte Elphid knapp und reichte ihr die Blume.
»Was soll ich denn damit anfangen?«, fragte Fidi sichtlich verwirrt, doch irgendwie schüchtern.
»Keine Ahnung, wirklich. Ich hatte so das Gefühl, dass du sie haben sollst. Sie passt zu dir. Außerdem, macht man das nicht so? Dask meinte zu mir, dass wenn ich jemanden mag, dass ich der Person eine Blume geben soll. Hier also eine Blume für dich!«
Fidi zögerte einige Momente. Immer wieder blickte sie zwischen der Blüte und Elphid hin und her, ohne ein Wort zu verlieren. »Es ist doch nur eine Blume, kein Schloss oder Schätze. Nimm sie doch einfach«. Elphid lächelte breit, solange bis Fidi das Geschenk endlich annahm.
Danach hielt die Zeit erneut an. Selbst Fidi bewegte sich nicht, bis sie anfing sich in einzelne Blätter zu verwandeln und im Wind wegzufliegen.
Langsam ertönte das Geräusch von bröckelndem Stein und als Elphid hinter sich blickte, merkte er, wie in der Ferne sich riesige Berge formten. Sie stiegen bis hoch in den Himmel und knickten irgendwann über Elphid zusammen. Die gesamte Welt hüllten sie ein, verformten sich und bildeten mit der Zeit ein Abbild, das Elphid mittlerweile bekannt war. Um ihn herum verwandelte sich Emeraldus in Epanas.
Er stand wieder weit oben, dort wo er das erste Mal mit Fidi stand. Der Wasserfall von Epanas in der Ferne, doch die Straßen waren deutlich voller und in den Häusern, allesamt gebaut aus Stein, brannte Licht. So sah Epanas richtig aus.
»Wer hätte gedacht, dass eine Welt unter der Erde so schön sein könnte?«, fragte Axilia, die nun neben ihm stand. Sie trug nicht die Kleidung wie beim letzten Mal, als er sie in der Zwischenwelt sah. Stattdessen war sie viel zivilisierter gekleidet und wirkte auch noch nicht so kräftig. Das muss aus ihren Anfängen beim Widerstand sein, dachte Elphid, aber merkte sofort, dass etwas daran nicht stimme. War Elphid überhaupt schon geboren zu diesem Zeitpunkt? Wenn ja, dann war er aber sicherlich noch nicht bei Axilia.
»Wer hätte gedacht, dass ich mal jemand noch schöneres als diese Welt nach Epanas bringen werde?«, erwiderte Dask, der nun das erste Mal klar erkenntlich in dieser Erinnerung auftauchte.
Die Unterschiede waren immens. Selbstverständlich sah er jünger aus, doch erst jetzt merkte Elphid, wie alt Dask für sein Alter aussah. Vor ihm stand ein Mann, der noch Leichtigkeit verspürte. Ein Mann, der dachte, dass die härtsten Jahre nun vorbei waren und er endlich Frieden finden würde. Ein Mann, der noch nicht wusste, was auf ihn zu kommen würde.
Dask besaß ein Lächeln, welches Elphid fremd war. Wenn er ihn so betrachtete, musste Dask bereits ein Mann sein, der vier Leben durchlebt hatte. Eines damals in Magika mit seiner Familie, eines nach Magika, alleine mit seinem Bruder, ein weiteres zusammen mit Axilia und nun ein finales, nach Axilia.
»Wir haben hier unten vielleicht nicht viel, aber eine Kleinigkeit als Willkommensgeschenk habe ich mir überlegt«, sagte Dask und materialisierte in seiner Hand eine hellblaue Schwertlilie.
Axilia wurde etwas rot, doch griff nach der Blume und nahm sie dankend an. »Ist das hier eine Tradition, wie man Neulinge begrüßt?«
»Zumindest eine, die ich mir gerade ausgedacht habe«, gab Dask zu. »Sie ist besonders, denn normalerweise würde alles was ich materialisiere nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Nicht aber diese Blume, denn ich habe sie praktisch manifestiert. Wenn ich mir die Zeit und Konzentration nehme, kann ich etwas dauerhaftes erschaffen. Dies ist das Produkt von langer Konzentration für ein Geschenk, nur an dich.«
Elphid lächelte. Ihm wurde klar, dass er nur in Ansätzen verstand, wie wichtig Axilia für Dask war. Nicht nur Elphid selbst setzte alles daran, sie wiederzufinden sondern auch Dask. Dieser Gedanke beruhigte ihn, denn er konnte sich sicher sein, dass Dask alles tun würde, um Elphid zu helfen. Genauso wie Axilia mir das versichert hat, dachte er.
»Elphid«, sagte die Erinnerung von Dask und brachte den Jungen völlig aus dem Konzept.
Axilia schien nicht zu reagieren. War das hier ein Fehler?
»Elphid«, wiederholte Dask, deutlich dringender. »Elphid, alles gut?«
Epanas verschwand Stück für Stück und das unendliche Weiß der Zwischenwelt verbreitete sich um ihn herum. Leider, stand diese Zwischenwelt mittlerweile auf der Seite.
»Elphid, aufwachen!«, rief Dask, als Elphid wieder zu sich kam. »Eine weitere Erinnerung?«
Elphid nickte. »Epanas, mit dir und Axilia. Du hast ihr eine Blume gegeben. Aber wie konnte ich die Erinnerung haben? Ich war doch nicht einmal dabei. Außerdem haben wir doch meine Verbindung repariert, oder nicht?«
»Dieses Mal war es anders. Du meintest, dass du müde wirst und hast dich einfach auf den Boden gelegt und geschlafen. Ich hab mir nicht wirklich Sorgen gemacht, aber irgendwann hast du eben von Axilia gesprochen im Schlaf. Die Erinnerung scheint echt, damals habe ich in Epanas deiner Schwester eine Blume geschenkt, als sie dem Widerstand beigetreten war. Du müsstest zu dem Zeitpunkt vielleicht gerade so geboren sein, aber wir wussten nichts von dir. Irgendwie scheinst du Erinnerungen zu besitzen von Axilia, oder vielleicht auch mir. Möglicherweise hat Axilia aber dir damals nur davon erzählt und du hast es rekonstruiert. Trotzdem scheint noch etwas in dir verankert zu sein, was wir noch lösen müssen. Deine Meditation in Emeraldus war ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht alles, wie es scheint.«
So beendeten Elphid und Dask das Training. Doch bevor die beiden die Zwischenwelt verließen, dachte Elphid nochmal belustigt über die Erinnerung nach.
»Die Blume hat also wirklich funktioniert«, sagte Elphid noch mit einem kleinen Lächeln.
»Natürlich! Eine idiotensichere Methode. Niemand hasst Blumen!«, sagte Dask und teilte das Lachen mit Elphid.
Die Welten schienen in Ordnung zu sein an diesem Tag.
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