»Die Einwohner der Welten, mit denen ich mich manchmal unterhalte, können diese Sehnsucht nach der Heimat nicht verstehen. Sie denken, dass ich all diese wunderschönen Dimensionen bereisen kann, und in wahrer Freiheit lebe.
Nur die anderen bei der Rebellion können verstehen, wie grausam unser vermeintlicher Luxus ist. Die Welten sehen oberflächlich oft faszinierend aus.
Vasil und seine Regierung haben sie aber bis in ihr Inneres verdorben…«
Das grüne Paradies
Ort: Emeraldus
Eine warme Brise entgegnete Elphid, als er durch das Portal stieg. Diese Reisen durch die Zwischenwelt waren noch sehr merkwürdig für ihn, doch er fühlte sich jedes Mal so erholt. Dask hatte gesagt, dass die Dimensionsmagier ihre Energie für ihre Magie aus der Zwischenwelt holten, doch diese Reisen waren erholsamer als eine Mütze Schlaf. War die Zwischenwelt wirklich so besonders? Viele Fragen schwirrten in seinem Kopf, doch sie wurden alle weggespült, als seine Augen sich an das helle Licht gewohnten.
Die Bäume und das Gras auf dem Elphid stand waren grün! Was für ein außergewöhnlicher Anblick das doch war. Die ganze Natur um ihn herum war wieder einmal so anders als Zuhause, doch unterschied sich nochmal massiv von Meksa. Genauso stellte sich Elphid die Welten da draußen vor! Der Himmel hier besaß ein leichtes Blau, wodurch Elphid etwas fand, was ihm ein wenig bekannt war. Dennoch schmückten die hellgrünen Wolken diesen blauen Himmel. Möglicherweise hätte sich Elphid noch zusammenreißen können, wenn es bei grünen Bäumen und Gras geblieben wäre. Etwas ganz anderes aber brachte den Jungen völlig aus dem Konzept.
»Das da hinten fliegt ja am Himmel!«, rief Elphid laut und zeigte auf eine Landmasse, die in der Luft schwebte. Unterhalb dieser fliegenden Massen lief die Erde in einer Spitze zusammen, ähnlich wie der herabhängende Fels in Epanas. Nichts am Boden stützte die fliegende Insel, und sie hing auch von nichts herunter. Wie konnte sie fliegen?
»Das sind die fliegenden Inseln von Emeraldus«, erklärte Fidi. »Sie sind ein antikes und einzigartiges Kunstwerk ehemaliger Ingenieure dieser Welt. Einige schlaue Köpfe hatten damals einen Weg gefunden, Seile zu konstruieren, die auf so eine seltsame Art funktionierten, dass sie die Inseln in der Luft halten konnten. Alle Seile sind mit der riesigen Smaragdinsel verbunden. Niemand kann diese Technologie bis heute rekonstruieren, sodass es wirklich aussieht, als ob diese Inseln fliegen könnten. Mit diesen Seilen funktioniert auch das große Gondelsystem…«
Die Erklärung von Fidi verstummte in seinem Hinterkopf, als er die riesige Smaragdinsel betrachtete. Von genauso einer Welt hatte er einmal geträumt. Emeraldus also…, dachte er.
Das war doch keine Insel, die da in der Luft schwebte. Das war ein riesiger Berg! Elphid kannte solche monumentalen Berge aus Erzählungen von Iglias. Berge, die viel größer waren als die, die er immer am Horizont sehen konnte, in seinem Dorf. Diese Berge sollen so groß sein, dass man ihre Spitze meistens nie sehen konnte, weil sie von der Wolkendecke verdeckt wurden. So groß müssen also diese Berge sein, nur fliegt dieser auch noch!, dachte sich der Junge.
Elphid kniff sein rechtes Auge zu und hielt sich seine rechte Hand vor sein Gesicht. Er musste sehr nahe an sein Gesicht mit der Hand, damit diese genauso groß war wie die fliegende Insel.
»Was tust du da?«, fragte Fidi ihn. Sie schien fertig zu sein mit ihrer Erklärung oder hatte begriffen, dass er sowieso nicht mehr zugehört hatte.
»Ich messe, wie groß die Insel ist«, antwortete er und stoppte seine Hand, als er endlich den richtigen Abstand hatte. Danach maß er den Abstand zwischen seiner rechten Hand und seinem Gesicht, mithilfe von seiner linken Hand. Stolz präsentierte er das Ergebnis mit einem groben Abstand zwischen zwei Finger. »Das ist eine verdammt große Insel!«.
Fidi schüttelte den Kopf, doch musste trotzdem Schmunzeln. »Wie willst du dir den Abstand den merken?«
»Ist alles in meinem Kopf. So groß ist der Baum von meinem Baumhaus..«, sagte er und zeigte einen Abstand mit seinen zwei Fingern, der deutlich größer war, als der der Insel. »Das ist der von dem Berg im Norden«, sagte er und zeigte einen anderen Abstand, etwas kleiner. »Und das ist die Größe von unserem Dorfschmied«, sagte er und nutze dafür beide Hände die damit einen Abstand von ungefähr 1,20 Meter zeigten.
»Wie hast du das denn bitte gemessen?«, fragte sie verwirrt.
»Ich habe mich neben ihn gestellt und eben von Kopf bis Fuß gemessen. Der ist so klein, dafür brauche ich nicht meine Spezialtechnik«, erklärte er und musste lachen, ebenso wie Fidi.
»Wenn du mir so die Größe der Smaragdinsel sagen kannst, gebe ich dir einen Saft in der nächsten Taverne aus«, sagte Dask und ging an den Beiden vorbei. Er war scheinbar endlich fertig mit dem Zusammenpacken seines Rucksacks und hatte nun einen Wasserschlauch dabei. Er drehte sich kurz um und bot Fidi und Elphid was zu trinken an. Elphid nahm den Schlauch dankend an und trank einen ordentlichen Schlug.
»Hey, hey! Immer langsam, das muss noch reichen für den Weg«, sagte Dask ermahnend, wodurch Elphid sofort aufhörte und dabei fast das Wasser ausspuckte.
»Verzeihung«, kam es ihm knapp hoch, bevor er Fidi den Wasserschlauch anbot. Diese lehnte aber, auch nach wiederholtem nachfragen von Elphid, ab.
»Fidi, du zeigst unserem Jungspund mal ein wenig die Stadt. Ich habe noch etwas zu tun, bevor wir uns heute Abend um diese interessante Situation von dem Jungen kümmern«, sagte Dask und blickte hoch in Richtung der großen Smaragdinsel. Das Schloss, was sich dort oben befand, schien das Ziel von ihm zu sein. Es glitzerte in einem hellen Grün und war prächtiger als jedes Haus, dass Elphid bisher gesehen hatte. Darin lebte sicherlich die Anführerin dieser Welt, doch warum musste es so groß sein? Iglias lebte doch auch nur in einer Hütte, die minimal größer war als die anderen Behausungen im Dorf. In diesem Palast konnte sein ganzes Heimatdorf aber mehrmals leben, so groß war es!
»Ich verstehe noch nicht ganz, warum wir nach Emeraldus gegangen sind, damit Elphid die erste Reise machen kann«, beschwerte sich Fidi. Sie klang nicht unbedingt genervt, sondern viel mehr besorgt. »In Epanas sind wir so weit weg, dort ist das Betreten der Zwischenwelt doch ungefährlich. Wofür also das Risiko?«
»Epanas ist, was das angeht, besonders. Wer auch immer die Welten erschaffen hat, hat uns vielleicht einen wunderbaren Rückzugsort geschaffen, um uns zu verstecken, doch nicht ohne Schwierigkeiten. Epanas ist keine Welt, in der man die Zwischenwelt zum ersten Mal betreten kann. Emeraldus ist vielleicht sehr zentral in den Vereinten Dimensionen, doch es ist hier so voll und chaotisch, dass wir möglicherweise unbeachtet die Zwischenwelt betreten können«, erklärte Dask, während sie weiter entspannt durch die grünen Felder liefen. »Außerdem habe ich hier etwas Wichtiges zu tun, also bietet es sich an.«
»Viel wichtiger ist, dass ich mal die anderen Welten sehen kann!«, sagte Elphid und brachte sich somit in die Konversation ein. »Ich meine, schaut euch das alles an! Das ist alles wirklich unfassbar!«
»Elphid, du gehörst seit ein paar Tagen zu den meist gesuchtesten Personen in allen Welten«, erinnerte ihn Dask. »Dein Leben wird nun kein wundersames und einfaches Abenteuer voller Entdeckungen.« Seine Warnung klang ernst, doch Elphid könnte schwören, dass er Dask leicht lächeln gesehen hatte.
Ihre Reise in die Stadt wirkte viel wunderbarer, als Elphid es sich hätte vorstellen können. Als sie Emeraldus erreicht hatten, verabschiedete sich Dask, denn er hatte ja irgendeine andere Mission zu tun. So waren es nur noch Fidi und er, die zusammen durch die Straßen dieses wundersamen Ortes wanderten. Genauso wie in Adeli schien hier alles einer bestimmten Farbe zu folgen. Das Kopfsteinpflaster, auf dem sie gingen, besaß einen leichten, doch dunklen Grünton. Im Vorort waren die Häuser vorwiegend aus grünem Holz gebaut, so wie die bläulichen Häuser aus seinem Dorf. Die kleineren Hütten vor der Stadt wirkten doch letztendlich wie kleine Büsche und Gestrüpp vor einem Wald, denn die Gebäude in der Stadt wuchsen beinah wie Bäume wild durcheinander. Sie waren mehrere dutzende Meter hoch gestapelt und überragten den kleinen Jungen imposant. Alles war naturbelassen und lebensfroh, denn viele Pflanzen und Blumen wuchsen zwischen den Wänden und aus den Spalten. Vor jedem Fenster hing ein Blumenkasten und die Dächer, die er kaum sehen konnte, schienen eigene Gärten zu besitzen. Kleinere Brücken verbunden die Häuser weit in der Höhe und weckten den Eindruck, dass selbst die Straßen hier Stockwerke besaßen. Unzählige Sterbliche gingen an ihnen vorbei. Mehr, als es je in seinem Dorf gab.
»Geröstete Kartoffeln aus Okapi!«, rief der Marktschreier in der Nähe. »Nur fünf Smaragdmark!«
»Kuchen aus Vrorrioblüten!«, rief eine Frau, die eine dreckige Backschürze trug. »Ein Stück, drei Mark! Der ganze Kuchen für 20 Mark!«
Ein kleiner Vierbeiner hastete durch die Beine von Elphid. Seine grünen, aufgestellten Schuppen rissen ihm beinah die Hose auf, doch er hatte nochmal Glück. Elphid verlor knapp das Gleichgewicht, als drei Kinder, die den Vierbeiner verfolgten, an Elphid vorbeirannten.
»Pass auf, wo du hinfällst, Bengel!«, sagte eine tiefe, männliche Stimme hinter ihm. Der Mann stieß Elphid genervt nach vorne, was dem fehlenden Gleichgewicht nicht half. Der Junge drehte sich um und sah die finstere Miene des alten, dicken Mannes. Scheinbar war Elphid fast gegen ihn gestoßen.
»Entschuldigen sie ihn, er ist noch neu in solchen vollen Städten und weiß nicht recht wohin mit seinen Füßen«, sagte Fidi schnell und stellte sich neben Elphid.
»Mir ist es egal, ob er neu ist oder nicht! Er soll gefälligst aufpassen…« Der Ausdruck von Fidi wurde ernst und kalt, was den Mann zum Schweigen brachte. Er grunzte abwertend, doch drehte sich schließlich weg. »Immer diese verfluchten Reisenden«, fluchte er.
»Es war wirklich ein Versehen«, verteidigte sich Elphid und folgte Fidi wieder, die sich sofort wieder in Bewegung setzte.
»Es ist schon in Ordnung, nur musst du in solchen vollen Orten aufpassen, wo du hintrittst«, sagte Fidi, ihre Kapuze fest über ihrem Kopf.
Elphid nickte und schwieg daraufhin. Wie konnte er denn auf alles hier gleichzeitig aufpassen? So viel Neues überflutete seine Sinne, dass er gar nicht wusste, wo er überall hinschauen sollte. Die Läden in den Häusern? Die Marktschreier? All die spielenden Kinder oder die unbekannten Tiere, die Wägen hinter sich her zogen? Es war ihm ein Rätsel, wie Fidi so ruhig und fokussiert durch die Straßen gehen konnte. Immer wieder versuchte er Fidi für etwas zu begeistern, was er irgendwo entdeckte, doch es fiel ihr sehr schwer ihre Ernsthaftigkeit abzulegen. Immer mal wieder ließ sie die Verteidigung fallen, als Elphid etwas, wie sie es sagte, ›Dämliches tat‹ oder sie ihm irgendwas erklären musste. Das waren die Momente, die Elphid genoss. Dann, wenn er seine Faszination für diese Welt mit Fidi teilen konnte. Es schien im falsch so bedrückt durch solch eine Welt zu wandern, also gab er sein Bestes, um das zu ändern. So ging er jeden Schritt mit dem Gedanken, wie er Fidi zum Lachen bringen konnte.
Wie sollte man auch nicht staunen über all das hier? Er kratzte erst die Oberfläche von all dem Neuen und schon hat ihn die Abenteuerlust gepackt. Ob seine Schwester diese Welt auch erkundet hatte? War sie vielleicht diese Straßen entlang gegangen?
»Glaubst du, meine Schwester könnte auch hier sein? Oder ob sie vielleicht hier mal war?«, fragte Elphid und wanderte weiterhin mit seinem verträumten Blick neben Fidi.
»Gut möglich. Du hast gesagt, sie war eine Abenteurerin, richtig? War sie denn Teil des Widerstandes?«
»Keine Ahnung um ehrlich zu sein. Ich weiß wirklich nicht viel über sie, außer dass sie Axilia heißt. Es klingt dämlich, dass ich so fokussiert darauf bin jemanden zu suchen, an den ich mich so gut wie gar nicht erinnere, doch es ist irgendwie wichtig für mich.«
»Ich glaube nicht, dass das dämlich ist«, sagte Fidi und überraschte Elphid damit. »Wir alle haben nur noch sehr wenig, an dem wir uns festhalten können. Nicht nur der Widerstand, sondern alle Sterblichen. Dieses ›Reich‹, dass sich Vasil ausgebaut hat, besteht aus Angst und nimmt jedem so viel, alles für seine ›Stabilität‹ nach der er sich so sehnt. Wenn wir nach all dem Leid, dass uns die Welt antut, nur noch einen Strang haben, an dem wir vergeblich hängen, macht es Sinn sich an diesen mit allem, was man hat, zu klammern…«
Die Beiden verloren sich in einer Stille, doch nicht in einer unangenehmen, wie Elphid empfand. Er fühlte sich irgendwie verstanden, und glücklich darüber, dass Fidi seinen Wunsch so ernst nahm. Zufrieden beobachtete er noch die Straßen und die Leute, doch merkte nicht, was eigentlich um ihn herum geschah.
»Sie versammeln sich«, sagte Fidi leise. »Bisher ging der Strom an Leuten in zwei verschiedene Richtungen. Ein Chaos, ohne jegliches Muster. Mittlerweile laufen sie alle mit uns in Richtung des Zentrums.«
Jetzt wo Fidi es sagte, bemerkte Elphid es auch. Niemand kam ihm mehr entgegen. Sie alle liefen in die gleiche Richtung. »Bleib bitte vorsichtig, und eng bei mir. Wenn ich es sage, verschwinden wir sofort und gehen wieder in Richtung der Vororte«, sagte Fidi mit ernster Stimme. Elphid verstand nicht genau, doch er würde darauf hören. Zumindest würde er es versuchen.
Die Begeisterung von Elphid stieg bis ins unermessliche, als sie das Zentrum von Emeraldus betraten. Die Gebäude ragten über ihn, ihr Grün hier nun viel intensiver als in den Vororten und sie selbst waren nur noch aus Stein gebaut. Monumentale fliegende Insel schwebte direkt über ihm und wirkte von so nah dran noch viel imposanter. Unzähligen, grün-bewachsenen, kleineren Inseln befanden sich an den verschiedensten Stellen in unterschiedlichsten Höhen. Einige von ihnen so niedrig, dass Treppen zu ihnen hoch führten. Die Ketten, die all die Inseln verband, warfen Schatten auf das Zentrum. Ein wahrlich mächtiges Vorhaben, wenn man vom Boden aus hoch zu der fliegenden Insel aufsteigen wollte.
Ist das der Weg, den Dask gerade hochklettert?, fragte er sich und war beeindruckt von der Vorstellung, dass sich Dask dort hocharbeitete. Dann aber bemerkte Elphid erst, dass zu Fuß aufzusteigen nicht der einzige Weg war.
»Riesige Vögel?«, flüsterte er mit fehlendem Atem, als er die fliegenden Wesen in der Luft bemerkte. Sie besaßen zwar keine Federn, sondern waren nackt wie Echsen. Trotzdem besaßen sie Flügel wie Vögel. Personen mit Rüstungen saßen auf ihnen und flogen von Insel zu Insel. Hin und wieder hörte er ein Kreischen der fliegenden Echsen. Egal wie unbekannt sie auf Elphid wirkten, sie waren majestätische Wesen, das war klar. Elegant schlugen sie ihre Flügel im Winde von Emeraldus. Das hier war alles, wovon Elphid immer geträumt hatte.
In Gedanken verloren wanderte Elphid immer weiter nach vorne, immer näher zur Mitte des Zentrums. Sein Blick wanderte von Rechts, nach Oben, nach Links, doch nicht mehr nach hinten. Staunend erblickte er jedes so unbekannte Detail, ohne die Situation zu betrachten, in der er Steckte. Als er aber einen Stoß von einem Ellenbogen in die Seite bekam, wurde er aus seinen Träumereien gezogen. »Hier geht es nicht weiter, Kleiner!«, warnte ihn die Stimme der Wache vor ihm. Er trug eine Kettenrüstung und ein Hemd aus grünem Stoff darüber. Auf diesem befand sich ein Symbol, eine Mischung aus Smaragd und riesiger Insel. Das muss das Symbol dieser Welt sein, oder?
Elphid stand vor einer großen Holztribüne, auf der er eine Art Holzkonstruktion erkennen konnte. Ein Redner stand auf der Bühne. Er war völlig glatt rasiert und trug eine grüne Robe, die ihm beinah zu eng war. Bei genauerem Hinsehen fiel Elphid die pickelige Nase und…waren das noch Essensreste an seinem Mund?
»Einwohner von Emeraldus!«, begann der Redner zu rufen und spuckte dabei über die ganze Tribüne. »Ich stehe heute vor euch im Namen unserer Königin und des unendlichen Herrschers. Mit großer Freude darf ich bekannt machen, dass unser Militär, mithilfe der Dimensionswachen der vereinten Dimensionen, illegale Nutzung von Magie in unserer Stadt ermittel und festgenommen hat! Jeden Einzelnen von euch vor diesen Gefahren zu beschützen, ist eine Selbstverständlichkeit für die Königin, sowie den unendlichen Herrscher! Unsere Götter haben uns einen weiteren Tag vor diesen Monstern geschützt! Die Nutzung von Magie ist und bleibt eine Gefahr für alle Sterblichen in der wunderbaren Welt von Emeraldus, sowie an jedem anderen Ort in den weiten Welten! Diejenigen, die sie unkontrolliert benutzen, sind wie Tiere, die gejagt werden müssen! Als einzig gerechte Strafe für dieses Verbrechen gegen die Gesamtheit der Sterblichen gilt selbstverständlich nur der Tod!«
Lautes Jubeln ertönte und hallte durch das gesamte Stadtzentrum. Jeder um Elphid herum schrie zustimmend oder nickte heftig mit dem Kopf. Elphid wiederum blickte mit großer Sorge in Richtung der Bühne, bevor er merkte, dass sich alle um ihn herum umdrehten. Der Tod?, dachte er noch leicht zitternd.
Die Wachen bildeten langsam eine Gasse in der Masse an Sterblichen. Gut ein dutzend Soldaten versuchten durch die enge Gasse drei Personen zu eskortieren. Sie alle trugen einen Holzstamm, der ihnen auf den Rücken gebunden war. Alleine, ohne jegliche Hilfe machten sie einen mühevollen Schritt nach dem anderen. Blutflecken und Spuren von anderen Flüssigkeiten, über die Elphid keine Gedanken verlieren wollte, bedeckten ihre zerfetzten Stoffkleidungen. Barfuß gingen sie über den steinernen Boden, während sich die Kiesel in ihre Füße bohrte. Blaue Flecken oder verkrustete Wunden waren über ihren ganzen Körper verteilt. Sie alle wirkten so, als ob jeder von ihnen jede Sekunde unter der Last zerbrechen würde. Zwischendruck wurden Stöcker oder kleine Steine nach ihnen gefunden. Vereinzelt eilte ein Zuschauer zu armen Seelen und schlug ihnen ins Gesicht, oder tritt gegen das Bein, wodurch sie beinah hinfielen. Die Gefangenen zuckten nicht einmal mehr, sondern schienen ihr Schicksal akzeptiert zu haben. Keine der Wachen verhinderte dieses absurde Verhalten, auch wenn sie halbherzig davor warten, dass man sich den ›Verbrechern‹ nicht nähern sollte.
Nach einiger Zeit, vielen schmerzhaften Schritten und langsamen Fortschritt durch die Masse, kam der erste Gefangene an Elphid vorbei. Jeder um ihn herum ging ein paar Schritte zurück, doch Elphid blieb geschockt stehen, bis die Wache von vorhin ihn erneut wegstoßen musste, noch unsanfter als vorhin schon. In diesem Moment blickte der Gefangene zu Elphid hoch. Ein Sterblicher mit langen blonden, doch auch fettigen und dreckigen Haaren, sowie ein unordentlicher Bart, der lange nicht mehr gepflegt wurde. Seine Lippen waren trocken, sein Körper sah abgemagert aus. Nur die Wachen und der Mann selbst konnten wissen, wann er zuletzt ein Schluck Wasser oder ein Stück Brot zu sich genommen hatte. Elphid suchte instinktiv in seiner Tasche nach einigen Beeren, die er aus dem Wald mitgenommen hatte. Widerstrebend unterdrückte er dennoch das Verlangen, dem Mann etwas zu Essen zu geben, oder? Nein, er hatte die Beeren bereits in der Hand. Wenn die anderen zu ihm gehen konnten, um ihn zu schlagen, dann sollte er dem Mann eine letzte Gute tat bringen können! Vielleicht machte eine positive letzte Erinnerung den Tod angenehmer…
Elphid duckte sich an der Wache vorbei, die überrascht von der Geschwindigkeit nicht reagieren konnte. Er zeigte beim Hinrennen dem Gefangenen die Beeren in seiner Hand. Der Mann riss die Augen vor Überraschung auf, ebenso seinen Mund. Schnell legte Elphid ihm ein paar Beeren in seinen, von den ganzen Schlägen, blutigen Mund. »Danke, Junge. Daan Blenke dankt dir…«, sprach er mit gebrechlicher Stimme. Elphid nickte kurz, war sich aber unsicher, wie gut die Beeren mit all dem Blut überhaupt schmecken konnten. Elphid fehlten die Worte, als er die Augen von dem Gefangenen sah. Sie waren völlig leer. Noch nie hatte er in seinem Leben einen gebrochenen Mann gesehen, bis zu diesem Zeitpunkt. Wenn er sich an die Augen von Iglias erinnerte, die manchmal vor Leidenschaft brannten, wenn er das Dorf gegen ein paar Monster verteidigen musste, waren diese Augen genau das Gegenteil. Hinter diesen Augen befand sich nur noch eine leere Hülle, einer vielleicht einst so lebensvollen Gestalt. Daan Blenke, dachte Elphid. Der Name dieser Gestalt. Der Besitzer dieser Augen, die einst bestimmt Hoffnung besaßen. All das hatte diese verlorene Gestalt längst verloren…
Der Schlagstock einer Wache traf den Kopf von Elphid, als er an der anderen Seite der Gasse ankam. Die Wache warnte ihn vehement, dass das Füttern der Gefangenen strengstens verboten sei. Sein Kopf schmerzte nun, doch er bereute nichts.
Die zweite Gefangene wurden auf die Bühne geführt, dann schloss sich die Gasse. Was war mit der dritten Gestalt passiert? Er hatte sie doch nicht verpasst, oder? Einige aufgeregte Schreie ertönten noch hinter ihm, doch er erwartete nicht zu sehen, was er dann erblickte. Der Kopf des dritten Gefangenen wurde feierlich in die Höhe auf einen Stock gehoben. Die letzten Bluttropfen fielen auf die Menge, die den brutalen Tod der verurteilten Seele feierten. Keine Wache tat etwas. Einige von ihnen schmunzelten sogar.
Elphid wurde schwindelig. Sein Blick ging wieder in Richtung der beiden Verurteilten auf der Bühne, doch alle Geräusche um ihn herum wurden langsam dumpf. Wurde er so stark auf den Kopf geschlagen?
»Elphid!«, rief eine Stimme in der Menge. War das Fidi? Sie suchte sicherlich nach ihm, oder nicht? »Elphid?!«
Die Welt fing an sich zu drehen, wie sie es auch in Meksa getan hatte. Ein letzter Blick in die traurigen Augen der Gefangenen, und dann übernahm das unendliche Schwarze sein Sichtfeld…
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