Akt I – Die Rekrutierung der Hoffnung
Kapitel ?
An einem unbekannten Tag in der Zukunft.
Selbst an dem Tag an dem Serce all das, was ihm je wichtig war, in den Abgrund stoß, wurde er von seinen Dämonen nicht alleine gelassen. Die Flammen seiner Zerstörung tobten in seinem Inneren. Rauch füllte seine Lunge. Mit dem Blut eines gefallenen Kameraden versiegelte er seine letzte Wunde. Ob sie mich wohl immer noch Anführer nannten an dem Ort, an dem sie jetzt sind?, fragte sich Serce.
Chaos, Schmerz und Trauer wirbelten wie ein Sturm in seinen Gedanken. Er sehnte sich nach der Ruhe, die ein Schlachtfeld nach so einem Kampf besaß. Die leise Rückkehr der Vögel, die Zusammenarbeit der Überlebenden.
Nirgends konnte er diese Ruhe finden. Nichts, in all den Welten da draußen, konnte ihm helfen, diese Ruhe zu finden. Alles, was er hörte, war der leise Regen, der zu Boden fiel und die Blutlachen verdünnte. Das Knistern des Feuers, kurz davor ebenfalls zu sterben.
Unzählige Leichen umgaben ihn. Viele trugen das Emblem das ihm so bekannt war. Die bunten und freien Farben des Widerstandes. Das Zeichen, das der Gründer dieser Freiheitsbewegung, Epan, damals so Stolz eingeführt hatte, als er die kleine Gruppe von Rebellen zusammenführte. Serce selbst trug diese Farben mit so viel Achtung und Respekt, bis zur letzten Sekunde. Nun lag der Widerstand erneut in Schutt und Asche. Diese Schlacht, sie würde alles sein, wofür Serce in Erinnerung bleiben würde.
Fühlte sich Iglias damals genauso? Spürte er dieselbe Reue? Nein, diese verzweifelten Gedanken der Rechtfertigung verbannte Serce sofort. Iglias hatte damals einen Ausweg aus all diesem Chaos gewählt. Auch wenn dieser Weg vielleicht über viele Leichen führte, hatte er danach sein Frieden gefunden. Auch wenn es ein Weg gewesen war, den der unendliche König Iglias persönlich gegeben hatte.
Serce würde diesen Weg nicht bekommen. Zu all den Höllen, er wollte ihn nicht einmal. Sollte dieser König Vasil noch einmal den Mut haben, auch nur ein Wort an Serce zu richten, so würde es sein letztes sein. Jede Leiche hier war die Schuld des Adels, der falschen Götter und des unendlichen Königs. So war es schon immer!
Du hast dich hierzu provozieren lassen!, hallte diese grässliche und teuflische Stimme in seinem Kopf.
»Nein!«, schrie Serce. Er konnte und wollte diese Stimme nicht mehr anhören. Schon zu lange begleitete sie ihn. Immer war sie da, in den grausamsten Momenten seines Lebens.
Ich bin alles, was du noch hast, Serce, sagte die Stimme. Sie war so bedrohlich und bösartig wie immer. Wie ein Parasit ernährte sie sich von seinem Trauma. Diese Kreatur, die zu ihm sprach, sie widerte ihn an. Es gibt kein Zurück mehr.
Serce fehlte die Kraft diesem Monster etwas zu entgegnen. Er gab immer sein Bestes nie mit ihm alleine zu sein. Alles ging bergab, als er diese Kreatur wieder mit ihm sprach. War sie überhaupt jemals zurückgekehrt? War dies der wahre Dämon in seinem Inneren? Serce war zu müde für all das…Dask half ihm immer, wenn die Dunkelheit stärker wurde. Immer war er an seiner Seite, wenn die Stimmen lauter wurden. Dask-
Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen, die Tränen schossen ihm in die Augen und beinah übergab er sich, nur wenn er an Dask denken musste. Stets wurde er von ihm gewarnt. Dask war immer der Weisere von den beiden, auch wenn er jünger war. Wie konnte es passieren, dass Serce zum Anführer des Widerstandes wurde? Vielleicht…
Dask ist weg! Für immer! Nicht mehr da!, rief die Stimme. Der Widerstand erneut gescheitert! Du aber, Serce, du stehst noch. Nach all dem hast du überlebt. Immer warst du es, der noch weitermachte! Vasil, der König, er hat dich benutzt! Er hat auch mich benutzt! Jetzt kommt unsere Rache…
Das Monster hatte recht. Dieser Gedanken verstörte Serce, doch es hatte kein Sinn dagegen zu kämpfen. Zum ersten Mal lag Verständnis in den Worten der Kreatur. War sie es also wirklich? Dieser Schmerz in der Stimme…er musste wahr sein.
Ein leises Ächzen erklang in der Nähe. Ein Überlebender aus der Schlacht? Das musste unmöglich sein. Dieses Massaker konnte doch keiner überstanden haben.
Tatsächlich aber kauerte dort eine Frau, nicht weit entfernt von ihm, auf dem Boden. Serce musste noch über ein paar blutige Leichen steigen. Vielen von ihnen fehlte einige Glieder, doch jegliches Blut aus ihrem Körper schien bereits verflossen zu sein. Schlachten waren nie schön, und deren Ergebnis noch weniger. Manchmal aber erkannte wenigstens, dass beide Seiten gelitten haben, nach einem Kampf. Dieses Ergebnis zu seinen Füßen aber? Ein reines Blutbad für den Widerstand.
Der Überlebenden fehlte ebenfalls der rechte Arm und auch ihr linkes Bein war vollkommen verstümmelt. Sie trug das Abzeichen des Widerstandes. Sie war eine von seinen Leuten. Ein Opfer seiner Entscheidungen.
Sie würde hier ausbluten und ihren Tod finden. Eigentlich konnte niemand daran mehr etwas ändern, bis auf Serce. Mit seiner Blutmagie könnte er die Blutungen stoppen und provisorisch verarzten. Es wäre ein Leichtes, sie in die nächste, sichere Welt mitzunehmen, in der man er ihr danach ordentlich Helfen konnte. Vielleicht würde sie sich komplett erholen und könnte danach ein neues Leben führen. Ein Haus mit Feld? Ein Partner finden, eine Familie gründen und diesen Horror hinter sich lassen. Dies müsste kein Ende für ihre Geschichte sein.
»Serce…«, flüstere die Frau, ihre Stimme war schwach. Sie wusste, dass Serce ihr helfen konnte.
Er riss ein Portal in der Luft mit seinem Dolch auf, den er daraufhin zu Boden warf. Ein Weg in die Zwischenwelt, ein Ausweg aus dieser Hölle. Das graue Leuchten des Portals schimmerte auf ihrem Gesicht. Ein kleines Stück Hoffnung funkelte in ihren Augen, als sie die Rettung praktisch greifen konnte.
»Es gibt kein Zurück mehr«, wiederholte Serce die Worte des Monsters. Entsetzen machte sich auf dem Gesicht der Frau breit, als Serce mit einer Handbewegung einen Blutstrahl aus dem abgetrennten Arm der Überlebenden fließen ließ. Das Blut schwebte in der Luft, die Frau verzog vor Schmerzen jeden noch funktionieren Muskel. Eine Klinge formte sich aus dem Blut. »Ich werde dich rächen«, flüsterte Serce kaltblütig in das Ohr der Überlebenden und durchbohrte den Hals der Frau.
»Euch alle werde ich rächen«, sagte er, schritt durch das Portal und ließ das Schlachtfeld hinter sich.
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